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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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Was es war, wollte Tania gar nicht wissen; ihre Angst war auch so schon groß genug.
    Sie weinte fast vor Erleichterung, als es in den östlichen Bergen zu dämmern begann.

XVIII
    A m nächsten Morgen, der seltsam still war, ritten sie an der Küste von Fidach Ren entlang. Von all den gespenstischen Erscheinungen, die sie nachts wach gehalten hatten, war keine Spur zu sehen. Das Land war kahl und rau, als hätte man der Erde die Haut abgezogen, sodass die nackten Knochen hervortraten. Bäume gab es jetzt nicht mehr, nur windgepeitschtes Gestrüpp, scharfblättriges Farndickicht und raue Gräser, die aus dem Geröll hervorragten wie Messer.
    Der Himmel über ihren Köpfen war eine düstere graue Decke, und jede halbe Stunde wurden sie mit kalten Regengüssen überschüttet. Unablässig klatschten die Wellen gegen die Klippen, ein Geräusch, das Tania kaum noch wahrnahm. Sie ritt mit gesenktem Kopf, erschöpft von der endlosen Reise, von diesem schrecklichen Land. Ihr Proviant war fast aufgebraucht. Sie schlangen ein karges Mittagessen hinunter, ohne dabei zu rasten, und alle drei wünschten sich sehnlich, dass es endlich vorüber wäre.
    Am späteren Nachmittag wurde Tania plötzlich unsanft aus ihrer Lethargie gerissen. Als sie den Kopf hob, sah sie etwas, das sie im ersten Moment für einen Vogel hielt, der ein Stück weit vor ihnen am Boden dahinflog. Blitzschnell war es wieder fort, tauchte zwischen den Felsen unter, ehe sie es richtig erkennen konnte. Doch als sie in die Ferne blickte, wurde ihr klar, dass es viel weiter weg gewesen sein musste, als sie gedacht hatte. Wenn das tatsächlich ein Vogel war, dann ein sehr großer.
    Kurze Zeit später schoss wieder etwas durch ihr Blickfeld, tief unten am Himmel, und flog von Kluft zu Kluft, eine schwarze Silhouette am einförmigen Horizont.
    »Was war das?«, fragte sie.
    »Geflügelte Wesen«, antwortete Cordelia. »Aber keine Vögel.«
    Darauf ließen sie ihre Einhörner ins Schritttempo fallen und nahmen den Weg in ein Tal, dessen Wände senkrecht über ihnen aufragten. Tania hörte einen schrillen Schrei in der Luft. Erschrocken spähte sie hinauf. Dort oben lauerte etwas auf einem zackigen Gipfel. Schweigen lag über dem Tal, so als hielten die Berge den Atem an. Die Einhörner tasteten sich langsam abwärts in das Tal, das sich endlos dahinschlängelte.
    »Sie sind überall um uns«, murmelte Cordelia. »Ich glaube, sie wollen angreifen. Hätten wir doch nur Schwerter, um uns zu verteidigen.«
    »Vielleicht können wir sie abhängen«, sagte Edric.
    »Auf diesem Untergrund dürfen wir die Einhörner nicht galoppieren lassen«, protestierte Cordelia. »Sie könnten sich ein Bein brechen.«
    Die Spannung stieg, je weiter sie bergab ritten. Tania hielt es kaum noch aus. Am liebsten hätte sie die Kreaturen angebrüllt, nur um die tödliche Stille zu beenden. Steine knirschten und polterten unter den Hufen der Einhörner. Die Kreaturen zeigten sich nicht. Die Stille schrie jetzt geradezu.
    Dann plötzlich ein Krachen hinter ihnen. Tania fuhr herum, und ihr Herz setzte aus, als sie den Steinhagel sah, der von den Felszacken herunterdonnerte. Im nächsten Moment war die Luft von fliegenden Ungeheuern erfüllt, die kreischend auf und nieder schossen, Steine und Felsbrocken auf sie schleuderten.
    Einer der Steine traf Tanz im Nacken. Er stieg, wieherte und schlug mit den Hufen aus. Wieder traf ihn ein Stein, sodass er auf die Seite stürzte. Tania rutschte von seinem Rücken und krallte sich an seiner Mähne fest. Vergeblich. Sie krachte auf den Boden, während Tanz aufsprang und mit klappernden Hufen talaufwärts stürmte.
    Mühsam rappelte Tania sich auf. Überall flogen Steine durch die Luft und sie riss schützend die Arme über den Kopf. Einer fiel donnernd auf einen Felsen direkt neben ihrem Fuß. Ein anderer streifte sie an der Schulter. Erschrocken stolperte sie zurück, als Cordelias Einhorn sich auf den Hinterbeinen aufbäumte und seitlich wegrutschte. Cordelia lag auf dem Boden, Zephyr fand sein Gleichgewicht wieder und raste unter lautem ängstlichem Wiehern hinter Tanz her. Dann schoss Drazin so dicht an Tania vorbei, dass sie fast stürzte. Edric saß nicht auf Drazins Rücken, aber sie hörte ihn laut »Hierher!« rufen.
    Sie wirbelte herum und sah ihn weiter oben stehen, dicht neben einem Höhleneingang in der Talwand. In Panik stolperten Tania und Cordelia den Hang hinauf und duckten sich unter den Geschossen, die rings um sie niederprasselten. Ein

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