Die dunkle Schwester
Ort verlassen werden, ehe unsere Aufgabe erfüllt ist. Blut wird fließen, wenn ihr uns daran zu hindern versucht.«
Tania sah Cordelia warnend a n – jetzt war nicht der Moment, Drohungen auszusprechen. Sie hielt Clorimel ihre Hände hin. »Bitte helft uns«, flehte sie. »Es ist auch in eurem Sinn. Vertraut mir. Wenn ihr uns ziehen lasst, sorgen wir dafür, dass ihr niemals wieder von den Fid Foltaigg bedrängt werdet. Also, helft ihr uns?«
Clorimel sprang in die Luft und stieg an der schwindelerregend steilen Talwand auf. Jauchzend folgten ihr die anderen, die Flügel schillernd wie Regenbogen, die schlanken Körper federleicht. Ein heftiger Schmerz durchzuckte Tania, eine unbändige Sehnsucht, von dem harten kalten Boden aufzuspringen und mit den anderen in die Lüfte zu steigen. Aber sie konnte nur dastehen, den Hals verdrehen und zuschauen, wie die andern schwerelos in den Himmel hinaufschwebten.
Lange Zeit hingen die Karken in der Luft und palaverten miteinander, stritten sich wahrscheinlich, ob sie ihre alten Gesetze brechen durften oder nicht. Endlich flogen sie auseinander, kreisten nach unten und landeten mühelos auf den Felsen ringsum. Clorimel kam zu Tania herunter und schwebte dicht über dem Boden, um Auge in Auge mit ihr sprechen zu können.
»Wir werden tun, was du verlangst, Alios Foltaigg«, sagte sie. »Um unserer Heimat und um des Friedens willen. Aber wisse: Solltest du uns getäuscht haben, werden wir euch töten.«
Tania nickte. »Ihr könnt sicher sein, dass ich die Wahrheit spreche«, sagte sie.
»Wohlan, dann sollt ihr nach Ynis Maw reisen«, sagte Clorimel. »Folgt uns.«
Die Lios Foltaigg breiteten wieder ihre Flügel aus und ließen sich vom Wind forttragen wie welke Blätter, während Tania und die anderen mühsam in das gewundene Tal hinabstiegen. Als sie um eine scharfe Biegung kamen, öffnete sich der Horizont vor ihnen. Das Tal fiel steil in eine weite Felsenbucht ab, gegen die das graugrüne Meer anbrandete, mit einem Geräusch wie von splitterndem Glas. Ungefähr eine Meile weit draußen auf den unruhigen Wellen ragte ein schwarzer Buckel aus dem Meer auf.
»Dort seht ihr die Schwarze Insel«, verkündete Clorimel. »Ynis Maw liegt vor euch!«
XIX
T ania stand am Meeresufer und starrte auf den düsteren schwarzen Buckel hinaus, der sich Ynis Maw nannte. Edric und Cordelia waren bei ihr und viele Lios Foltaigg versammelten sich in ihrer Nähe. Tania dachte an Gabriel Drake, den Oberon auf diesen schwarzen Felsklotz verbannt hatte, bis er durch die bösen Kräfte des Hexenkönigs befreit worden war.
»Schade, dass Zara nicht da ist«, sagte Edric. »Sie könnte uns ein paar Schildkröten herbeirufen, die uns nach Ynis Maw bringen würden.« Er wechselte einen Blick mit Tania und flüsterte ihr zu: »Meinst du, diese Wesen würden sich herbeilassen, uns hinüberzutragen?«
Tania riss sich vom trostlosen Anblick der Schwarzen Insel los. »Wir können ja mal fragen«, sagte sie. »Aber sie sind so klei n – ich weiß nicht, ob sie das schaffen.«
»Und wie sollen wir mit dem König zurückkehren?«, fügte Cordelia hinzu. »Ihn heil zu unserer Mutter bringen? Selbst wenn wir es auf diese verfluchte Insel schaffen, sind wir noch längst nicht am Ende unseres Wegs.« Sie lächelte grimmig. »Eine würdige Herausforderung, fürwahr!«
Tania gab ihr insgeheim Recht: Alles, was sie bisher durchgemacht hatten, war ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was sie in Ynis Maw erwartete, wenn sie Oberon gefunden hatten. Ohne den schwarzen Bernstein gab es keine Möglichkeit, ihn aus seinem Gefängnis zu befreien.
Ein Schwirren in der Luft riss sie aus ihren Gedanken. Es war ein Lios Foltaigg, der zu ihnen herunterschwebte. Er landete leicht und elegant, seine kleinen Füße berührten kaum den Boden.
»Eure wilden Horntiere galoppieren nach Süden«, verkündete er. »Sie laufen schnell wie der Wind. Sie werden nicht zurückkehren.«
»Danke, dass du uns diese Nachricht gebracht hast«, sagte Tania und hoffte, dass Tanz und seine Gefährten heil nach Hause kommen würden. »Wir müssen irgendwie auf die Insel kommen und zum Schwimmen ist es zu weit«, sagte sie zu Clorimel.
»Es gibt ein Boot«, sagte Clorimel. »Es ist alt, sehr alt. Ich bin mir nicht sicher, ob es euer Gewicht verkraftet, nach all den Jahren.«
»Ein Boot?«, fragte Tania überrascht. »Wo denn?«
»Es liegt in einer Höhle nicht weit von hier.«
»Bringt uns dorthin, wenn ihr so gut sein wollt«, bat
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