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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Reitz
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geschlagen.
    Wellinger schmunzelte und lenkte
seinen Blick auf den Fernseher. Die Nachrichten hatten begonnen und
wie immer berichteten sie von Kriegen, Hungersnöten und der sich
selbst feiernden Prominenz, die ihrem Äußeren den letzten
Schliff verpasste, um mit aufgerissenen Augen und monströsen
Lippen in die Kamera zu grinsen. Er schloss die Augen und eine
leichte Melancholie ergriff Besitz von ihm, als ein ungewohntes
Geräusch ihn veranlasste, die Augen wieder zu öffnen. Woher
kam dieser seltsam brummende Ton? Lennart hatte sich lang auf dem
Sofa ausgestreckt und die Augen geschlossen. Auf seinem Bauch lag
Mister Frizzle, den Kopf vertrauensvoll auf die Brust des Jungen
abgelegt. Mit sachten Bewegungen kraulte Lennart dem Kater die Ohren
und dieser, völlig hingerissen von der ungewohnten Zuwendung,
tat das, was alle Katzen von Natur aus tun. Er schnurrte aus
Leibeskräften.
    Fasziniert beobachtete Wellinger
das harmonische Bild. Die Melancholie, die ihn zuvor ergriffen hatte,
wich einem Gefühl der Wärme, dann lächelte er. Solange
es noch dieses Geräusch der absoluten Zufriedenheit gab, war es
vielleicht doch noch nicht zu spät, ein wenig den Helden zu
spielen und die Welt zu retten.

Kapitel 6

    „ Komm rein!“ Die
groben Worte des langen Mannes duldeten keinen Widerspruch.
    Schnell schlüpfte Eno in den
kalten Hausflur hinein. Beißender Zigarettenrauch waberte ihm
entgegen. Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür hinter ihm ins
Schloss. Der Lange setzte sich in Bewegung, eine Geruchsspur von
altem Schweiß hinter sich her ziehend. Eno würgte, dennoch
folgte er eilig.
    „ Du bist zu früh“,
sagte der Mann und zog geräuschvoll die Nase hoch. Er streckte
ihm eine Büchse Bier entgegen.
    Eno schüttelte den Kopf.
    „ Dann eben nicht. Bleibt
mehr für mich.“ Der Lange öffnete die Dose und nahm
einen ausgiebigen Schluck. Er grinste, trat näher an Eno heran
und rülpste ihm ins Gesicht. Sein Atem stank faul. „Auf
eine Runde“, sagte er, während er aus der Hosentasche ein
Kartenblatt hervor zog.
    Eno verspürte wenig Lust auf
ein Spiel, ließ sich aber trotzdem an dem wackeligen Tisch
nieder.
    Gleich zu Beginn betrog der Lange
und er gab sich noch nicht einmal Mühe, dies zu verbergen. An
jedem anderen Tag hätte Eno ihn gepackt und über den Tisch
gezogen, aber heute war es ihm egal. Er durfte sich nicht ablenken
lassen. Sie spielten nur um kleine Münzen und wenn er seinen
neuen Auftrag erledigt hatte, würden seine Taschen wieder voller
Geld sein.
    Nach einer knappen Stunde schob
der Lange den Holzstuhl nach hinten. „Es ist Zeit“,
sagte er und gab Eno ein Zeichen, ihm zu folgen. Gemeinsam betraten
sie einen Raum, der in völliger Dunkelheit lag.
    Das Licht, das den Raum flutete,
als der Lange den Schalter umlegte, blendete Eno und nur langsam
kehrte sein Sehvermögen zurück. Er taumelte gegen die Wand.
Niemals hätte er diesen Raum betreten dürfen. Mit weit
aufgerissenen Augen starrte er auf die zwei Frauen, die aneinander
gelehnt auf einem schmalen Bett saßen. Er musste weg von hier,
sofort, doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Sein Herz begann
zu rasen und der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Ein
Wimmern, wie von einem Tier, drang zu ihm durch, bis er merkte, dass
er selbst es war, der die animalischen Laute von sich gab. Die Angst
hieb ihre scharfen Zähne in sein Fleisch, packte ihn mit ihren
spitzen Krallen, so dass er unfähig war, sich zu rühren.
Doch für eine Flucht war es längst zu spät. Er starrte
auf die größere der beiden Frauen. In seinem ganzen Leben
hatte Eno kein schöneres Wesen gesehen und auch keines, das
gefährlicher war.
    Die Erkenntnis peinigte ihn und
erneut entwich ein Wimmern seiner Kehle. Dieses Wesen war keine Frau
und auch keine Königin. Dieses Wesen war eine Göttin. Die
Zwerge hatten sich zu neuen Giganten aufgeschwungen.
    „ Die Ladys sind bereit für
die Reise“, grinste der Lange.
    Mit einem einzigen Fausthieb
schlug Eno ihn zu Boden.

    „ Was soll eigentlich die
Sache mit dem Halsband? Mister Frizzle ist doch kein Hund.“
Lennart hockte auf dem Sofa und öffnete geschickt den Verschluss
des Lederbandes, das der Kater um den Hals trug.
    „ Wenn er ein Hund wäre,
wäre er ganz bestimmt nicht hier“, sagte Wellinger, ohne
von der Tageszeitung aufzuschauen. Trotzdem wollte sich ihm der
Inhalt der Zeilen nicht erschließen. Dafür war er einfach
zu erschöpft.
    Gleich am Morgen war er zu dem
Studenten gefahren, um ihm noch weitere

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