Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Reitz
Vom Netzwerk:
strahlte und ihre Finger glitten durch sein Haar.
    Konnte es sein, dass in der
Genesung des Kindes die Antwort verborgen lag? Die Antwort, die er
sehnsüchtig suchte.
    Vorsichtig ließ Jan sich
auf dem Bett nieder und berührte den dünnen Arm. Der Junge
erwiderte den Druck.
    In der Berührung steckte die
ganze Kraft des Lebens.

    Der Schrei drang Wellinger durch
Mark und Bein.
    Er stürzte ins Wohnzimmer,
doch bevor er den Raum erreicht hatte, flitzte ein schmutzig grauer
Schatten zwischen seinen Beinen hindurch. Beinahe hätte er
seinen Wein verschüttet. Dem Schatten folgte eine große
schlaksige Gestalt. Lennart! Wann war der Junge nach Hause gekommen?
    „ Was um Himmels Willen war
denn das?“, keuchte Lennart anstelle einer Begrüßung.
„Ich habe mich nur aufs Sofa gesetzt, da saust plötzlich
dieses fauchende Etwas unter meinem Arsch hervor.“
    Verärgert über die
Ausdrucksweise seines Sohnes verzog Wellinger das Gesicht. Dann
blickte er über seine Schulter, um nach dem Kater zu sehen.
    „ Dad, was war das?“
    Wellingers Kopf fuhr wieder
herum. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Lennart ihn Dad nannte. Immer wieder hatte er ihn darum gebeten, Papa zu sagen, so wie früher, doch sein Sohn hatte die Bitte
ignoriert.
    Dad klingt doch viel cooler, als Papa oder Vati ,
hatte er argumentiert und dabei war es geblieben.
    „ Das war Mister Frizzle“,
brummte Wellinger.
    Entgeistert blickte Lennart ihn
an. Er hatte sich schon an einige Marotten seines alten Herrn
gewöhnt, doch trotzdem schaffte dieser es immer wieder, ihn zu
verwundern.
    „ Wer oder was ist Mister
Frizzle?“
    „ Mister Frizzle ist ein
dicker, scheußlicher Kater, der Frauen hasst“, erwiderte
Wellinger knapp.
    „ Aha“, kommentierte
Lennart noch knapper und brachte damit unmissverständlich zum
Ausdruck, dass bei seinem Erzeuger nicht alle Tassen im Schrank
waren.
    „ Von wegen Aha .
Du kümmerst dich um ihn.“
    „ Du spinnst wohl?“
    Wellinger seufzte. Es war
eigentlich egal, welche Bitte er äußerte, denn sein Sohn
trat augenblicklich in Opposition zu seiner väterlichen
Autorität und schien dies auch noch in vollen Zügen zu
genießen. Er hingegen hasste dieses pubertäre Gehabe.
    „ Ich habe gesagt, du
kümmerst dich um ihn, also tust du das auch“, ignorierte
er die Beleidigung.
    „ Na, das werden wir ja
sehen“, motzte Lennart, drückte sich an seinem Vater
vorbei und stapfte in die Küche, um im Kühlschrank nach
etwas Essbarem zu stöbern.
    Wellinger ließ sich in
seinen Lieblingssessel nieder, sorgsam darauf achtend, nicht doch
noch den Wein zu verschütten. Kurz darauf kehrte Lennart zurück
und schaltete den Fernsehapparat ein. Keiner von ihnen sprach ein
Wort.
    Begeistert glotzte der Junge auf
die Mattscheibe, auf der junge Darsteller in unzähligen
Vorabendserien ihre glatten Gesichter in die Kamera hielten.
    Wellinger nahm einen Schluck. Der
Wein war dunkel und schwer. Er sollte sich einfach betrinken,
vielleicht würde er dann die schwachsinnigen Kopien des
wirklichen Lebens ertragen. Lennart hingegen konnte nicht genug von
den Serien bekommen. Er war geradezu versessen darauf.
    Wie aus dem Nichts tauchte der
Kater im Wohnzimmer auf. Trotz seiner Behinderung sprang er geschickt
auf das Couchende.
    „ Der hat ja nur drei
Beine“, stellte Lennart verwundert fest.
    Gespannt beobachteten sie, wie
Mister Frizzle die Nase in die Luft hob und ausgiebig schnupperte.
Nachdem er die Quelle eines verführerischen Duftes ausfindig
gemacht hatte, stapfte er mit zielsicheren Schritten auf den Jungen
zu. Der zog sein Käsebrot außer Reichweite. „Verzieh
dich“, murmelte er und versuchte, den Kater zu ignorieren. Doch
Mister Frizzle maunzte hoch und erbärmlich.
    Amüsiert beobachtete
Wellinger, wie das Tier zwei weitere Schritte auf Lennart zumachte.
    „ Mann, ist der hässlich.“
Die harten Worte des Jungen konnten über die Wärme in
seiner Stimme nicht hinweg täuschen.
    „ Dafür hat er
Charakter“, sagte Wellinger.
    „ Kunststück! Muss er
auch haben, wenn er schon nicht schön ist. Geld besitzt er ja
wohl keins.“
    Lennarts kurze Unaufmerksamkeit
nutzte Mister Frizzle, um seinen dicken Kopf an dem Arm des Jungen zu
reiben.
    „ He, das ist unfair“,
protestierte Lennart, ließ sich dann aber doch erweichen und
hielt dem Kater ein Stück Käse unter die Nase. Unversehens
war es im Maul verschwunden. Gierig stierte Mister Frizzle auf das
restliche Brot. Lennart lachte laut auf, dann gab er sich

Weitere Kostenlose Bücher