Die dunkle Seite der Dinge
Stupser. Dann wandte
sie sich an Wellinger. „Jetzt spann mich nicht auf die Folter.
Was hast du entdeckt?“
„ Ich hab's entdeckt!“,
rief Lennart. „Schau hier! Das war in Mister Frizzles Halsband
versteckt.“ Er nahm die kleine Speicherkarte vom
Wohnzimmertisch und reichte sie weiter.
Franziska betrachtete den
winzigen Chip und zog die Stirn kraus.
Wellinger bemerkte ihre
Verwunderung. „Sie haben also auch keine Ahnung, warum der Chip
im Halsband des Katers versteckt war.“
„ Mensch Dad, das ist ja mal
wieder typisch!“ Lennart tippte sich an die Stirn. „Du
bist echt von vorgestern. Sie haben also auch keine Ahnung “,
äffte er seinen Erzeuger nach.
Franziska zwinkerte dem Jungen
zu. „Ich hab ihm auch gesagt, er soll das mit dem Sie lassen, aber irgendwie will er nicht.“ Umgehend wurde sie
wieder ernst. „Ich sehe diese Speicherkarte zum ersten Mal und
Mike hat sie auch mit keinem Wort erwähnt.“
„ Gut! Ich habe auf Sie
gewartet. Ähm, also auf dich.“ Wellinger brach verlegen
ab. „Ich habe gewartet, damit wir uns das gemeinsam anschauen“,
beendete er schließlich den Satz.
Lennart schüttelte belustigt
den Kopf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer.
„ Du wartest natürlich
draußen“, fuhr sein Vater ihm in die Parade.
„ Quatsch, ich muss doch den
Computer bedienen. Warum soll ich draußen bleiben?“
„ Weil es nicht deine
Angelegenheit ist.“
Lennart verschränkte die
Arme vor der Brust. „Das ist nicht fair, Dad. Immerhin habe ich
die Speicherkarte gefunden!“
„ Das tut überhaupt
nichts zur Sache!“
„ Hört bitte auf zu
streiten!“ Franziska war zwischen die beiden getreten „Lass
deinen Sohn ruhig dabei sein. Wenn es ihm unangenehm wird,
verschwindet er schon freiwillig.“
„ Da siehst du es“,
grinste Lennart und nahm an seinem Schreibtisch Platz.
Hastig drückte Eno dem
Fahrer einen Geldschein in die Hand und sprang auf die Straße.
Ein unkontrollierbares Zittern überfiel ihn, als er die hintere
Wagentür aufriss und die kleinere der beiden Frauen aus dem Taxi
zerrte. Seine Angst hatte sie angesteckt und war in sie eingedrungen.
Er sah es in ihren Augen. Eno handelte instinktiv. Schnell drängte
er sich an die Seite der Frau und fasste sie grob am Arm. So lange er
sie als Geisel hielt, war die Göttin ihrer Macht beraubt.
Er zog die Frau hinter sich her
und pflügte rücksichtslos durch die Ansammlung von
Touristen, um in das Gebäude des Hauptbahnhofs zu gelangen. Das
göttliche Wesen folgte ihnen wie an unsichtbaren Fäden
gezogen. Jetzt stieß Eno seine Geisel eine steile Treppe zu
einem der zahlreichen Bahnsteige hinauf. Auf der Plattform
angekommen, stellte er sich abseits der Menschenmenge. Der Wind
zerrte an seiner dünnen Kleidung, was sein Zittern nur noch mehr
verstärkte. Seine Zähne schlugen schmerzhaft aufeinander.
Er fror erbärmlich, trotzdem breiteten sich auf seinem Hemd
dunkle Schweißflecken aus. Schneller als gedacht tauchte die
Göttin hinter ihnen auf. Sie versuchte, sich an die Seite der
kleineren Frau zu drängen, doch Eno war vorbereitet und schirmte
die Geisel ab, indem er sie zwischen seinem Körper und einem
Eisenpfeiler einzwängte. Solange er in ihrem Besitz war, konnte
er die Göttin kontrollieren. Er durfte ihr nur nicht in die
Augen schauen. In dem goldenen Schimmer würde er sich
hoffnungslos verlieren.
Kurz darauf fuhr der ICE in den
Bahnhof ein. Eno schubste seine Geisel in Richtung Wagentür. Auf
den Metallstufen, die ins Innere des Wagons führten, rutschte
sie aus und stürzte auf die scharfen Kanten. Brutal zerrte er
sie wieder auf die Beine. Einige Fahrgäste schrien empört
auf, doch die wilden Blicke, die er ihnen entgegen schleuderte,
ließen sie augenblicklich verstummen. Niemand würde ihn
aufhalten!
In dem für ihn reservierten
Abteil drückte Eno die Frau auf einen Sitz und hockte sich neben
sie. Noch immer umklammerten seine Hände ihren Arm. Rote
Striemen zeugten von der Gewalt. Er rang nach Luft. Der Schweiß
lief ihm nun in Strömen über das Gesicht und dicke Tropfen
klatschten auf den Sitz.
Endlich schlossen sich die Türen.
Ein schriller Pfiff zerschnitt die unerträgliche Angst und der
Zug setzte sich sanft in Bewegung. Enos Atem beruhigte sich. Die
Reise hatte unwiderruflich begonnen. Daran würde auch die Göttin
nichts mehr ändern können, die in diesem Moment das Abteil
betrat.
Drei Augenpaare hefteten sich
gebannt an den Monitor und studierten die Details des ersten
Weitere Kostenlose Bücher