Die dunkle Seite der Dinge
musst keine Angst haben, ich dachte nur, du
könntest uns weiterhelfen.“
„ Nein!“ Der Mann
schüttelte den Kopf.
„ Schon gut. Ich glaube
dir.“
Langsam ließ der Mann sich
wieder auf seinen Stuhl nieder.
Noch einmal strich Franziska über
seinen Arm. „Ich habe dich gar nicht gefragt, wie du heißt.“
Der Mann lächelte
schüchtern. „Ich bin Eno.“
Kapitel
9
Die Dunkelheit kroch in ihren
Körper, drang in jeden noch so kleinen Winkel vor und labte
ihren unstillbaren Durst an der sich windenden Hoffnung. Mit der
Dunkelheit strömte die Kälte in ihr Herz, streckte gierig
die klammen Finger aus und forderte ihre totale Unterwerfung.
Amaziah schauderte. Sie rieb sich
kräftig über die Arme, dann blickte sie auf ihre Gefährtin.
Bashasha kauerte schweigend auf dem Boden. Die Flucht hatte die
beiden Frauen vollkommen erschöpft.
Es war eine unvorstellbare Qual
gewesen, wieder an den Ort zurückzukehren, an dem alles seinen
Anfang genommen hatte und nicht zu wissen, ob sie den Weg rechtzeitig
zurücklegen konnten. Amaziah hob den Kopf und blickte in einen
Himmel, der mit seinem dunklen Tuch die Stadt bedeckte. Das konnte
unmöglich derselbe Himmel sein, den sie Nacht für Nacht in
Afrika erblickt hatte. Hier, an diesem fremden Ort, wirkte er viel
kleiner, so, als hätte man ihn mit einem Besen zusammen
geschoben. Zudem war er nackt. Die mächtigen Wolken beraubten
ihn seiner Sterne.
Die Scheinwerfer eines Autos
durchdrangen die Dunkelheit, tasteten suchend umher, nur um kurz
darauf in die entgegengesetzte Richtung abzubiegen. Die Gefahr,
entdeckt zu werden, lauerte überall und die beiden Frauen
rückten noch enger zusammen.
„ Wird er kommen?“
Bashashas dünne Stimme wurde fast vollständig von der
Schwärze der Nacht geschluckt. Amaziah schaute besorgt auf ihre
Freundin herab, dann nickte sie, doch die Geste vermochte nicht, ihre
eigenen Zweifel zu besänftigen. Dafür hatten sich zu viele
schreckliche Dinge ereignet.
„ Amaziah, wie lange müssen
wir warten?“
„ Hab Geduld, Bashasha.“
Liebevoll strich die anmutige Frau über das vertraute Gesicht
der Freundin, aus dem jeglicher Glanz gewichen war. Sie würde
für sie beide stark sein müssen. Das war ihre Mission.
Das Leben selbst hatte Amaziah
darauf vorbereitet und nun musste sie sich der Herausforderung
stellen. So war es vorherbestimmt. Bereits ihre Geburt hatte unter
einer ungewöhnlichen Sternenkonstellation gestanden und schnell
bemerkten alle Bewohner des Dorfes, dass sie anders war. Ihre Haut
war heller, ihre Gestalt größer, ihr Gang stolzer. Das
machte sie zur Außenseiterin und sie vergoss viele Tränen,
bis sie bereit gewesen war, ihr Schicksal anzunehmen.
Es ist deine Bestimmung,
anders zu sein. Du bist etwas Besonderes und das sollte dich stolz
machen. Aufmerksam
hatte Amaziah den tröstenden Worten der Mutter gelauscht und sie
in sich aufgesogen. Wenn die anderen Mädchen im Dorf ihre
goldene Haut eifersüchtig mit Schlamm bewarfen und die Jungen an
ihrem Haar zogen, das glatter als das der anderen Kinder war, hatte
sie den Kopf nur noch höher erhoben.
„ Amaziah, bist du sicher,
dass er kommen wird?“ Die Freundin konnte ihre Ungeduld kaum
noch bezwingen. Amaziah teilte das brennende Gefühl. Aus
tiefstem Herzen hoffte sie, dass der Mann mit dem langen Haar, das in
der Sonne wie Weizen glänzte, sein Versprechen hielt. Er würde
die schrecklichen Dinge in die Welt hinaus schreien. Alle sollten es
erfahren.
Bevor sie getrennte Wege gegangen
waren, hatte er die Frauen über einen Mittelsmann warnen lassen. Vertraut niemanden.
Hört Ihr? Niemanden! Achtet auf euch und lasst euch auf keinen
Fall aus der Stadt bringen. Das war viele Tage her.
Unerwartet trug der Wind dunkle
Männerstimmen zu ihnen herüber. Die beiden Frauen duckten
sich noch tiefer in die Schatten der Bäume. Durch die Lücke
einer Hecke erblickten sie die Umrisse zweier Männer, die nur
wenige Meter von ihnen entfernt in einem Garten standen. Jetzt
loderte eine Flamme auf, nur um sofort wieder zu erlöschen. Zwei
rote Punkte schwirrten durch die dunkle Nacht.
„ Ist er das?“
Bashashas Stimme zitterte vor Aufregung, doch Amaziah schüttelte
den Kopf.
„ Nein. Sein Haar würde
auch in der Dunkelheit leuchten.“
„ Ich gehe zu ihnen“,
wisperte Bashasha. „Ich werde mit ihnen sprechen.“
„ Nein, das darfst du nicht
tun! Das sind die falschen Männer. Sie sind böse!“
Erschrocken richtete Amaziah sich auf und warf einen strengen
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