Die dunkle Seite der Dinge
allem die so dringend benötigte Medizin.
Diesmal hatte es sich der Gönner nicht nehmen lassen, den
Hilfskonvoi persönlich zu begleiten, auch wenn das ein hohes
Risiko in sich barg. Immer wieder hatte die Organisation Opfer zu
beklagen, weil Mitarbeiter den mörderischen Rebellen in die
Hände fielen.
Fast gleichzeitig erstarben die
Motoren der Lastwagen. Eine gespannte Stille legte sich über das
Lager. Wie auf Kommando erschienen an den Fenstern die strahlenden
Gesichter der Fahrer. Die Stille wurde von lautstarkem Jubel
unterbrochen. Dann öffnete sich schwungvoll eine einzelne
Wagentür und ein eleganter Mann sprang in den Sand. Lächelnd
winkte er der Menge zu. Jetzt hob er die Hand zum Siegeszeichen. Die
pathetische Geste verfehlte seine Wirkung nicht. Die Menge jubelte
noch enthusiastischer. Trotz der Hitze trug der Mann einen dunklen
Pullover und um den Hals hatte er einen leichten Seidenschal
geschlungen. Unsicher machte Jan einen Schritt auf die Wagenkolonne
zu. Er hatte sich den Wohltäter vollkommen anders vorgestellt.
„ Doktor Grünwald?“
Langsam drehte sich die
auffällige Erscheinung zu ihm um. „Professor Doktor
Grünwald“, korrigierte ihn der grauhaarige Mann. Der
kritische Blick wurde jedoch von einem auf den anderen Moment von
einem strahlenden Lächeln abgelöst.
„ Sie müssen Doktor
Siebers sein. Wie geht es Ihnen?“
Eine unpassendere Frage konnte
Jan sich in dieser unwirtlichen Gegend nicht vorstellen.
„ Danke! Den Umständen
entsprechend“, stotterte er. „Wie war Ihre Reise?“
erkundigte er sich höflich nach dem Befinden des Professors,
doch dieser winkte ab.
„ Verplempern wir keine
Zeit, um über mich zu reden. Sie haben sicherlich andere
Sorgen.“
Jans Verwirrung nahm zu, doch
dann fasste er sich. „Wenn Sie mir folgen wollen“, bot er
dem Professor an, ihn auf seiner Visite zu begleiten.
„ Entschuldige.“ Der
Mann, der sich in Franziskas Weg stellte, betrachtete sie schüchtern.
„ Schon gut“,
erwiderte sie und war bereits weiter geeilt, als der Mann sie
einholte und erneut ansprach.
„ Entschuldige! Frau Stein?“
Franziska fuhr auf dem Absatz
herum und schaute in ein dunkles Gesicht.
„ Reden, ja?“, fragte
der Unbekannte und warf dabei einen Blick über seine Schulter.
„ Kommst du von Mike?“
fragte sie hoffnungsvoll. „Schickt Mike dich? Sag schon!“
Der Fremde schwieg.
„ Weißt du etwas? Sag
doch!“
Nun taumelte er einen Schritt
zurück. Er würde jeden Moment fliehen. Da verlor Franziska
die Beherrschung. Mit einem Satz sprang sie auf ihn zu und packte ihn
am Kragen seiner Jacke.
Erschrocken riss der Mann die
Hände hoch und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien.
„Ich nichts wissen! Bitte!“, rief er und die Angst ließ
seine Stimme schrill klingen.
Das brachte Franziska zur
Besinnung. So plötzlich, wie sie den Fremden gepackt hatte, so
schnell wich jegliche Kraft von ihr. Erschöpft ließ sie
die Hände sinken und lehnte sich an seine Brust. Sie konnte die
Tränen nicht mehr zurück halten. Unbeholfen hob der Fremde
eine Hand und strich ihr über das Haar.
„ Entschuldigung“,
schniefte sie und wischte sich mit ihrem Jackenärmel die Tränen
und den Rotz aus dem Gesicht, dann zeigte sie auf ein kleines Café.
„Gehen wir etwas trinken?“
Der Mann nickte und gemeinsam
betraten sie das Lokal. In einer kleinen Nische nahmen sie Platz.
„ Also?“ Franziska
bemühte sich um Fassung. „Warum wolltest du mit mir
reden?“
„ Ich nicht sagen, was ist
mit Mike. Aber erzählt von dir.“
„ Er erzählt von mir?
Wer? Mike? Hast du ihn getroffen?“
Der Fremde schüttelte den
Kopf. „Mein Deutsch nicht gut. Ich nicht gesehen Mike lange.“
Franziska ließ ihre
Schultern sinken. „Wann hast du ihn gesehen?“
„ Lange her. Viele Tage. Du
nicht wissen, wo ist?“
„ Nein.“
Schweigend nippten sie an ihren
Getränken.
„ Woher kennst du meinen
Bruder eigentlich?“
„ Hilft mir, kleine Jobs
finden. Ist guter Mann.“
„ Weißt du, an welcher
Story Mike gearbeitet hat?“
Der Mann schüttelte den
Kopf. „Story? Nein! Nicht wissen?“
„ Du musst mit der Polizei
reden. Ich bringe dich zu Kommissar Wellinger.“
„ Nein! Nicht Polizei. Ich
nichts wissen.“
Franziska betrachtete ihn
zögernd. „Weißt du auch nichts über die tote
Frau vom Rhein?“
„ Tote Frau?“,
wiederholte der Mann erschrocken und sprang auf. „Nichts
wissen!“
Beruhigend legte sie ihre Hand
auf seinen Arm. „Du
Weitere Kostenlose Bücher