Die dunkle Seite der Dinge
eine drückende Luftfeuchtigkeit im
Gepäck. Schweißgebadet hockte das Team in dem kleinen
Zimmer, um die nächsten Schritte zu koordinieren.
Wellinger zeichnete mit geübten
Strichen ein Schaubild an das Board und fasste den Stand der
Ermittlungen zusammen. Ihre Bemühungen empfand er wie das
Fischen in trüben Gewässern.
„ Gehen wir einmal davon
aus, dass wir es mit illegalen Medikamentenversuchen zu tun haben“,
erklärte er. „Nicht nur Franziska Stein, sondern auch die
Kriminaltechniker halten dies nach der Sichtung der Dokumente für
möglich. Wir müssen die beiden dunkelhäutigen Frauen
ausfindig machen, die Mike Stein fotografiert hat. Vielleicht wissen
sie etwas über solche Vorgänge.
Wir gehen davon aus, dass auch
das Mordopfer in einem Zusammenhang mit diesen Medikamentenversuchen
stehen könnte. Ihr Foto findet sich auf dem selben Chip, auf dem
die Dokumente gespeichert sind. Nehmen wir weiter an, sie ist vor den
Tests geflohen. Dass an ihr kein Versuch vorgenommen wurde, beweisen
die Untersuchungen auf chemische Rückstände. Die
Isotopenanalyse hingegen zeigt, dass die Frau noch nicht lange in
Deutschland gewesen sein kann. Wir wissen außerdem, dass sie
kurz vor ihrem Tod entbunden hat, aber das Jugendamt hat keinen
Hinweis auf einen verwaisten Säugling erhalten. Die Amtsleiterin
informiert uns umgehend, falls eine entsprechende Meldung eingeht.
In erster Linie konzentrieren wir
uns darauf, den Journalisten Mike Stein zu finden. Alle Fäden
laufen bei ihm zusammen.
Die Suche wird zudem auf einen
Mann ausgedehnt, der sich Eno nennt und vermutlich afrikanischer
Herkunft ist. Er hat zu Franziska Stein Kontakt aufgenommen und sich
nach ihrem Bruder erkundigt. Wir haben mit Franziskas Hilfe ein
Phantombild anfertigen lassen und von ihm und allen anderen Personen
Fahndungsfotos heraus gegeben. Dabei werden wir von der regionalen
Presse unterstützt.“ Wellinger behielt es für sich,
dass Franziska ihn viel zu spät über das Treffen mit dem
Fremden informiert hatte. Ihr Alleingang ärgerte ihn maßlos.
Zugleich sorgte er sich. Sie mussten diesen Mann unbedingt finden.
„ Wir verteilen nun die
Aufgaben.“
Alle Kollegen murmelten
Zustimmung, nur Thorsten hatte sich in eine Ecke des Zimmers
platziert, schaufelte seine geliebten Gummibärchen in sich
hinein und schaute aus dem Fenster.
„ Thorsten!“, rief
Wellinger, doch der andere kaute genüsslich weiter.
„ Thorsten, verdammt
nochmal!
„ Was?“
„ Vielen Dank, dass du deine
Aufmerksamkeit diesem wichtigen Fall widmest.“
„ Wichtiger Fall? Das ich
nicht lache.“ Der Kriminaloberkommissar schob eine weitere
Faust Gummibärchen in den Mund und schmatzte laut.
„ Wie war das?“
„ Ich habe gefragt, was an
diesem Fall so wichtig sein soll. Vielleicht kannst du es mir
erklären?“
Einen kurzen Augenblick war
Wellinger versucht, seiner Wut Luft zu verschaffen, dann besann er
sich und zwang das brennende Gefühl in die Knie. Wo käme er
hin, wenn er sich provozieren lassen würde? „Ich kann dir
sagen, was an diesem Fall wichtig ist. Menschen gehen elendig
zugrunde, weil an ihnen illegale Versuche durchgeführt werden.
Ist dir das wichtig genug?“
„ Ehrlich gesagt, nein.“
Thorsten richtete sich auf. Er würde sich von Wellinger, diesem
Versager, nicht länger bevormunden lassen. „Nein, der Fall
ist nicht wichtig. Und weißt du auch warum?“
Die Kollegen starrten ihn
sprachlos an. Das war genau die Bühne, nach der Thorsten
verlangte. „Anstatt unsere Zeit damit zu vergeuden,
irgendwelchen Wissenschaftlern das Leben zur Hölle zu machen,
sollten wir uns um echte Verbrecher kümmern.“
„ Aber diese Wissenschaftler
sind doch Verbrecher, wenn sie das tun, was der Chef vermutet.“
Auf Ricardas Gesicht zeigten sich rote Flecken. „Eine Frau ist
sogar ermordet worden. Krimineller geht es doch wohl kaum?“
„ Blödsinn!“
Thorsten geriet in Fahrt und er ließ sich auch nicht von
Franziska aufhalten, die im Türrahmen erschien. „Die
Entwicklung von Medikamenten ist nun einmal wichtig, damit wir ein
gutes Leben führen können. Schließlich profitieren
wir alle davon. Niemand von euch kann mir weismachen, dass er sich
vorher erkundigt, wie ein Medikament erprobt worden ist, bevor es
seine Zulassung erhält. Wir schlucken die bunten Pillen und
erwarten, dass es uns bald wieder besser geht, und warum sollten wir
auch nicht so denken? Schließlich haben wir ein Recht darauf,
dass unser Leben eine hohe Qualität
Weitere Kostenlose Bücher