Die dunkle Seite der Dinge
machst, hau ich dir auf die Finger.“
„ Dafür müsstest
du deine Aufmerksamkeit von deinem Nachtisch wenden und ich
befürchte, das ist unmöglich.“ Franziska blieb
unbeeindruckt. Stattdessen schielte sie zu seiner Creme Brûlée
hinüber, die er noch nicht einmal angerührt hatte.
„ Kalt schmeckt sie nicht so
gut.“.
„ Ich habe gar keinen Hunger
mehr.“
„ Echt nicht? “
Erwartungsvoll sah sie ihn an.
„ Ich verstehe gar nicht,
wie du es schaffst, so schlank zu bleiben, bei dem, was du in dich
hinein schaufelst.“ Schon wanderte das Schälchen über
den Tisch. Feierlich nahm Franziska das großzügige
Geschenk in Empfang. „Ich jogge mehrmals die Woche durch den
Stadtwald. Das hält mich fit“, erklärte sie und
begann umgehend damit, Wellingers Nachtisch seiner Bestimmung
zuzuführen. „Du hast das Wort“, schmatzte sie
zwischen zwei Löffeln.
„ Danke! Zu liebenswürdig“,
lächelte er. „Wo waren wir stehen geblieben?“
„ Mach noch einmal bei den
präklinischen Tests, den Tierversuchen weiter.“
„ Ach ja, richtig! Wie du
mir erklärt hast, muss der Wissenschaftler an Säugetieren
die Toxizität des Wirkstoffs bestimmen, also, ob das Zeug giftig
ist oder nicht. Richtig?“
„ Richtig“, stimmte
Franziska zu.
„ Der Wissenschaftler
beobachtet die Tiere und dokumentiert verschiedene Aspekte, zum
Beispiel wie das Mittel bei wiederholter Verabreichung über
einen längeren Zeitraum wirkt, wie es sich auf die Fruchtbarkeit
auswirkt und ob es zu Schädigungen von lebenswichtigen Organen
kommt.“
„ Mmh, in vielen Fällen
werden auch noch Studien zur Karzinogenität durchgeführt“,
ergänzte sie.
„ Du meinst, ob der
Wirkstoff Krebs erregend ist?“ So langsam entwickelte Wellinger
ein Verständnis für ihre Sprache.
„ Ja“, nickte sie
zustimmend. „Am Ende der Tierversuche wird dann der
erfolgversprechendste Wirkstoffkandidat herausgefiltert, um diesen in
der klinischen Forschung, also am Menschen zu erproben“,
schloss sie die Erklärung.
„ Aber woher weiß man,
wie hoch die Dosis bemessen sein muss, die man verabreicht?“
Nachdenklich fuhr sich Wellinger mit dem Finger über die Narbe.
Franziska sah ihn anerkennend an.
„Langsam verstehst du das Problem. Bei der Entwicklung und
Herstellung von Prüfpräparaten muss man sich zunächst
an die optimale Menge herantasten. Das lässt sich bei den
Tierversuchen nicht mit Gewissheit festlegen, sondern man muss die
Dosierung in den klinischen Tests bestimmen.“
„ Du meinst, das Menschen
ein Präparat erhalten, bevor die optimale Dosis festgelegt
worden ist?“
„ Ja, genau. Tiere reagieren
nicht immer so wie Menschen. Die Ergebnisse der präklinischen
Tests sind daher immer unzureichend.“ Sie legte den Kopf
schief. „Wie hast du es dir denn vorgestellt?“
„ Ich dachte, nun, ich weiß
nicht.“ Unsicher brach er ab. „Ich habe mir noch nie
ernsthaft Gedanken darüber gemacht“, gab er schließlich
zu.
„ Das machen die meisten
nicht“, nickte sie. „Es ist auch nicht so, dass ein neues
Präparat einfach so auf die Menschheit losgelassen wird und mit
etwas Glück wird sich in der Praxis dann schon zeigen, welche
Dosierung optimal ist. So darfst du dir das auch nicht vorstellen.
Wie schon gesagt, versucht man die endgültigen Ergebnisse in den
klinischen Studien herauszufinden, in denen freiwillige, in der Regel
gesunde Menschen die ersten Tests an sich durchführen lassen.“
„ Aber das ist doch
Blödsinn!“, unterbrach er sie heftiger, als beabsichtigt.
„Wer würde sich denn für so etwas freiwillig melden,
wenn er gesund ist?“
„ Da gibt es einige, die an
diesen Versuchsreihen freiwillig teilnehmen“, widersprach
Franziska. „Ihre Motivation kann dabei sehr unterschiedlicher
Natur sein. Ich gebe zu, dass aus gewisser Sicht die Freiwilligkeit
auch bezweifelt werden darf. Tatsächlich kommt es darauf an, was
den Menschen wirklich antreibt.“
„ Was könnte einen denn
antreiben?“
„ Na, da gibt es
verschiedene Gründe. Manche stellen sich zur Verfügung,
weil sie einen nahen Verwandten haben, der an einer unheilbaren
Krankheit leidet und dem sie mit ihrem Einsatz helfen wollen oder sie
wollen durch ihre Teilnahme etwas für das Allgemeinwohl tun.
Manchmal sind die Versuchspersonen selbst Medizinstudenten, die auf
praktische Weise die Arbeit der medizinischen Forschung unterstützen
möchten.“
Skeptisch betrachte Wellinger die
Ärztin und sie lenkte ein.
„ Schon gut. In den
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