Die dunkle Seite der Dinge
Reise nach Ostafrika entfachte das Feuer aufs Neue in ihm und
dabei stand er erst am Anfang seines Schaffens. Er fühlte sich
dazu berufen, Großes zu leisten, auch wenn es ein ständiger
Kampf war, die medizinische Versorgung der Flüchtlinge
aufrechtzuerhalten. Wie immer lag es am Geld. Deshalb investierte er
eine beträchtliche Energie, um für sein Projekt zu werben.
Viele seiner Vorgänger hatten nach kurzer Zeit das Handtuch
geworfen, aber er hatte Biss. Außerdem besaß er die
Fähigkeit, Menschen zu überzeugen. Schließlich war er
eine Persönlichkeit von hohem Ansehen, die weit über die
Stadtgrenzen Kölns hinaus bekannt war und so konnte er auf
renommierte Unterstützung für das Projekt zählen,
indem er seine Kontakte zu Politik, Sport und Film vor den
wohltätigen Karren spannte. Es war nichts weiter als ein
Kuhhandel, den Grünwald jedoch in seinem Sinne zu nutzen wusste.
Die Prominenz sonnte sich in der Bewunderung der Öffentlichkeit,
zeigte sich über das Elend in Afrika betroffen und kokste sich
gleichzeitig auf dem Klo das Hirn weg, während der Professor
sein strahlendes Lächeln mit den berühmten Fratzen in die
Kamera hielt und die Spendengelder beträchtlich in die Höhe
trieben.
Gedankenverloren blätterte
er in seinem überfüllten Terminkalender. Das jährliche
Wohltätigkeitsdinner stand unmittelbar bevor. Seit drei Jahren
wurde es nun schon auf seinem Anwesen ausgerichtet und von Anfang an
war die Veranstaltung ein voller Erfolg gewesen. Auch dieses Jahr
würde das gegenseitige Schulterklopfen kein Ende nehmen.
Trotz des symbolischen
Eintrittsgeldes von fünfhundert Euro war eine Einladung zu
dieser Veranstaltung heiß begehrt. Denn jeder, der an diesem
Event teilnahm, bekam nicht nur die Gelegenheit, wichtige Kontakte zu
knüpfen, sondern Grünwald sorgte auch immer dafür,
dass ein großes Medienaufgebot bereit stand. So wurden die
Wohltäter ins rechte Licht gerückt. Und weil der Professor
auch die Regulierung des Marktes kannte, lud er nie mehr als
einhundert Gäste ein.
Bei dem ganzen Brimborium befand
sich Grünwald jedoch immer auf der Suche nach neuen kompetenten
Partnern. Geld und Aufmerksamkeit waren eben nicht alles. Wesentlich
dringender benötigte er ein verlässliches Team, dass die
Arbeit vor Ort leistete. Vor allen Dingen war er auf der Suche nach
Menschen, denen er vertrauen konnte und die die Arbeit in seinem
Sinne ausführten. Das stellte eine wesentlich höhere Hürde
dar.
Seine Gedanken schweiften zu
seinem Studienkollegen Ferdinand. Dieser hatte sich bei der letzten
großen Sitzung mehr als erbärmlich aufgeführt. Jedem
Kollegen musste er auf die Nase binden, dass er eine der begehrten
Einladungen erhalten hatte. Natürlich ließ Ferdinand
unerwähnt, dass er Grünwald zuvor regelrecht erpresst
hatte. Ferdinand wusste einfach zu viel. Trotzdem war es Grünwald
schwer gefallen, das Spiel mitzuspielen und demzufolge war ihm seine
Missbilligung nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben gewesen.
Daraufhin hatte Ferdinand ihm, vor den Augen aller Kollegen, jovial
auf die Schulter geklopft. Er würde sich für die Einladung
erkenntlich zeigen, indem er noch einen weiteren Gast mitbringen
würde, der ein vielversprechendes Potenzial in sich trug. Die
Kollegen hatten das Gespräch neugierig verfolgt und Grünwald
war nichts anderes übrig geblieben, als sich großzügig
zu zeigen und das symbolische Eintrittsgeld für diesen
besonderen Gast zu erlassen. Und was hatte Ferdinand getan? Umgehend
hatte er für sich und seine Frau ebenfalls freien Einlass
gefordert. Er war der größte Schmarotzer, der Grünwald
jemals unter die Augen gekommen war.
Schon während des Studiums
war Ferdinand faul gewesen, hatte sich aber hervorragend darauf
verstanden, andere für sich arbeiten zu lassen und unverdient
mit glänzenden Noten abzuschließen. Trotz allem oder
gerade deswegen hatte Grünwald Ferdinand viel zu verdanken. Der
Blender hatte ihm nur zu deutlich gezeigt, was ihn erwarten würde,
wenn er seine Karriere nur halbherzig anginge. Grünwalds
schlimmste Vorstellung war es gewesen, dass Ferdinand ihn überholte,
womöglich sogar irgendwann sein Vorgesetzter würde und
deshalb hatte er einen Ehrgeiz an den Tag gelegt, der ihn die Nächte
und die Wochenenden durcharbeiten ließ. Diesem Ehrgeiz
verdankte Grünwald, dass er in der obersten Liga angekommen war.
Trotzdem blieb es ein ständiger
Kampf, wie es sich im Flüchtlingslager gezeigt hatte. Siebers,
der ignorante Idiot,
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