Die dunkle Seite der Dinge
Gewicht zusammen brechen. Das Paar unterhielt sich
angeregt mit einem Musiker, dessen Lieder auch Franziska laut
mitsang, wenn sie im Radio gespielt wurden. Etwas abseits entdeckte
sie einen graumelierten Landespolitiker, dessen Lächeln geradezu
in sein Gesicht gemeißelt war. Der Abgeordnete wurde von einem
eitlen Fernsehmoderator eifrig umschwirrt. „Warum hat man mich
eingeladen?“, wunderte sich Franziska zum wiederholten Male.
Dann entdeckte sie Ferdinand Hollweg, mitsamt Gattin Venja, einer
blutjungen, russischen Schönheit. Ferdinand war Chefarzt der
chirurgischen Abteilung ihres Krankenhauses und ihr Vorgesetzter. Er
hatte sie geradezu bedrängt, die Einladung seines Freundes
anzunehmen. Sie steuerte auf die beiden zu. „Hallo Ferdinand“,
begrüßte sie ihn. „Hey Venja“, nickte sie der
blonden Frau zu, die lediglich den rot geschminkten Mund verzog und
grußlos in eine andere Richtung schaute.
„ Willst du nicht etwas
Anständiges trinken?“ Ferdinand deutete mit seinem
wulstigen Finger auf ihr Wasserglas.
Der helle Ton einer kleinen
Glocke enthob sie der Antwort.
„ Meine Damen und Herren!
Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte!“ Ein
Hausangestellter war mit bedeutungsschwangerer Miene vor sie
getreten. „Professor Grünwald lässt sich
entschuldigen. Ihr Gastgeber bedauert, dass er sich um einige Minuten
verspäten wird, möchte aber, dass Sie schon einmal mit der
Vorspeise beginnen. Wenn die Herrschaften mir bitte folgen wollen.“
Erwartungsvolles Raunen erfüllte
die Luft und alle setzten sich in Bewegung. Man führte sie in
einen festlich geschmückten Saal und wies ihnen die Plätze
zu. Franziska fand sich an einer Tafel zwischen ihrem Vorgesetzten
und einer älteren Frau wieder.
„ Hallo, ich heiße
Esther“, sagte die Frau freundlich und reichte ihr die Hand.
Mit dem langen, grauen Haar, das sie locker zu einem Zopf gebunden
hatte und der legeren Kleidung, hob sie sich angenehm vom Rest der
Gesellschaft ab.
„ Ich bin Franziska.“
„ Ich weiß.“
Franziskas überraschter
Blick entlockte Esther ein herzhaftes Lachen. „Schau nicht so
verwundert. Du siehst zwar den ganzen Raum voller Prominenz, aber um
ehrlich zu sein, sind diese Leute dem Professor ziemlich egal. An dir
hingegen ist er sehr interessiert. Jedenfalls hat er von dir erzählt
und deshalb weiß ich, wer du bist.“
„ Er hat von mir erzählt?
Aber er kennt mich doch gar nicht.“
„ Er will dich aber
kennenlernen, weil er immer Ausschau nach neuen Talenten hält,
die seine Vision mit ihm teilen. Vor allem sucht er Mitstreiter für
sein Ostafrika Projekt. Da engagiere ich mich übrigens auch.“
„ Und er denkt, ich erfülle
seine Erwartungen?“
„ So, wie Ferdinand dich
angepriesen hat, kann es gar nicht anders sein.“
Verwundert schaute Franziska zu
ihrem Vorgesetzten, der über den Tisch hinweg in eine
Unterhaltung vertieft war, während Venja gelangweilt an die
Decke starrte. Ferdinand hatte mit keinem Wort erwähnt, dass die
Veranstaltung eine getarnte Akquise war. Im selben Moment schalt sie
sich selbst eine Närrin. Welche Absicht hätte sonst hinter
der Einladung stecken sollen? Sie schluckte ihren Ärger hinunter
und musterte neugierig Esthers vitales Gesicht. „Und was ist
mit dir? Woher kennt ihr euch? Hast du mit Grünwald studiert?“
„ Nein. Roman Grünwald
ist mein Halbbruder.“
Franziska zuckte zusammen. Esther
ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. „Ich habe von
deinem Verlust gehört und es tut mir sehr leid. Das muss sehr
schwer für dich sein.“
Franziska nickte traurig, doch
die warme Hand spendete Trost. Als die Vorspeisen aufgetragen wurden,
gab ihr das die Gelegenheit, die Fassung wiederzufinden und eine
Weile konzentrierte sie sich auf das Essen. Die Teller waren noch
nicht vollständig abgeräumt, da erschien Professor Grünwald
mit einem galanten Lächeln in der Tür. Beifall brandete
auf.
„ Meine Damen und Herren,
ich bin untröstlich, dass ich Sie habe warten lassen, aber, was
soll ich sagen? Sie alle sind sehr beschäftigte und viel
gefragte Persönlichkeiten und daher hoffe ich, dass Sie für
meine Verspätung Verständnis haben.“
Wohlwollendes Murmeln erhob sich
und Grünwald nahm seinen Platz an der Tafel ein.
„ Auf große Auftritte
hat Roman sich schon immer verstanden“, grinste Esther. „Ich
verrate dir ein Geheimnis.“ Sie beugte sich vertraulich zu
Franziska hinüber. „Es gab gar keinen anderen Termin. Die
ganze Zeit hat er in
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