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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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abzuwarten, bis sie von selbst verklungen waren. Bis dahin hätte er zuviel Porzellan zerschlagen. Er mußte etwas dagegen unternehmen.
    Die Pudel jagten einander jetzt über die Wiese. Auch ihre Frauchen hatten sich gefunden und tauschten Pudelerfahrungen aus.
    Blank spazierte in die Kanzlei zurück und ging in Gerbers Büro. Er wollte ihn um Entschuldigung bitten und ihm sagen, daß es nicht so gemeint war.
    Als er den Empfang betrat, winkte ihn die Telefonistin heran. »Ich habe Huwyler, er ist ziemlich sauer.«
    Als Blank sich meldete, bellte Huwyler: »Ich hoffe, Sie haben eine gute Entschuldigung.«
    Blank hatte sich vorgenommen, Nierenkoliken vorzuschieben. Er hatte mit siebzehn monatelang unter solchen gelitten. Die Symptome waren ihm so schmerzhaft in Erinnerung geblieben, daß er sie jederzeit anschaulich hätte beschreiben können. Aber Huwylers erster Satz machte seine guten Vorsätze zunichte.
    »Ich sehe keinen Anlaß für eine Entschuldigung.«
    Die Antwort verschlug Huwyler für einen Moment die Sprache. Als er sie wiederfand, hatte Blank aufgelegt.
    Drei Minuten später stand Dr. von Berg in Blanks Büro. »Darf ich?« fragte er und setzte sich in den Besuchersessel. »Huwyler hat soeben angerufen.«
    Blank stand auf und ging aus dem Büro. Die Tür ließ er offen. Dr. von Berg wartete. Als Blank nach fünf Minuten noch immer nicht zurück war, ging er hinaus.
    »Haben Sie Dr. Blank gesehen?« erkundigte er sich bei der Empfangsdame.
    »Der ist vor ein paar Minuten gegangen.«
    Erst auf dem Weg zu Lucille fiel Urs Blank auf, daß er von Berg vermutlich einfach in seinem Büro hatte sitzenlassen. Er war sich nicht ganz sicher. Er hatte sich schon als Student angewöhnt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und darin eine solche Meisterschaft entwickelt, daß ihm das Unwesentliche zuweilen völlig entging. Sein Unterbewußtsein reihte von Berg wie alles andere unter das Unwesentliche ein. Nur so konnte er sich erklären, daß er ihn im Besuchersessel vergessen hatte wie einen Handschuh.
    Selbst jetzt, wo er sich daran erinnerte, tat er es nicht mit Schrecken. Er hatte nicht das Bedürfnis, umzukehren, sich zu entschuldigen und Erklärungen zu erfinden.
    Pat ließ Blank herein. Lucille war nicht zu Hause. Sie hätte angerufen, daß sie sich eine halbe Stunde verspäten würde. Und sie selbst sei auch im Begriff zu gehen.
    Er ging in Lucilles Schlafzimmer. Die einzige Sitzgelegenheit war mit Kleidern beladen. Auf die Matratze am Boden mochte er sich nicht setzen. Der Geruch nach kalten Räucherstäbchen erinnerte ihn an das Tipi. Er zog es vor, in der Küche zu warten.
    Kaum hatte er sich gesetzt, begann ihm Troll um die Beine zu streichen. Wie vielen Leuten, die keine Beziehungen zu Katzen haben, passierte es ihm, daß er dafür mit Zuneigung bestraft wurde. Es dauerte nicht lange, und das Tier sprang ihm auf den Schoß.
    Mit einem einzigen Griff drehte er ihm den Hals um, bis Trolls Schrei von einem Knacken abgeschnitten wurde.
    Erst als Blank Schritte im Treppenhaus hörte, erinnerte er sich an das tote Kätzchen. Er hob es auf, schaute sich nach einem geeigneten Versteck um, hörte, wie der Schlüssel ins Schloß der Wohnungstür gesteckt wurde, und verstaute Troll in seiner Aktentasche.
    Lucille strahlte ihn an, als sie die Küche betrat. »Hast du lange gewartet?«
    »Eine halbe Stunde.«
    Sie nahm ihm die Mappe ab und setzte sich auf seinen Schoß. »Kam es dir lange vor?«
    »Wie eine Ewigkeit.«
    Sie küßten sich. Lucille stand auf und führte ihn ins Schlafzimmer. Zuerst zog sie ihn aus, dann sich.
    Mitten im Liebesakt mußte Blank das Interesse verloren haben. Er merkte es daran, daß Lucille ihn tröstete: »Mach dir nichts daraus, das passiert oft nach einem schlechten Trip.«
    Kurz darauf schlief er ein.
    Lucilles Stimme weckte ihn. »Troll?« rief sie. »Tro-oll!« Als er die Augen öffnete, stand sie unter der Schlafzimmertür. »War Troll hier, als du kamst?«
    »Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Als du in der Küche gewartet hast, müßte er doch gekommen sein.« In ihrer Stimme lag Panik.
    »Kam er aber nicht. Vielleicht ist er mit raus ins Treppenhaus, als Pat ging.«
    »Diese Schlampe«, schnaubte Lucille. Er hörte, wie sie die Wohnungstür öffnete.
    Als sie nach einiger Zeit zurückkam, weinte sie. »Niemand hat ihn gesehen. Aber im ersten Stock ist das Fenster offen. Bestimmt ist er da raus.«
    »Troll ist ein Kater, der in die Pubertät kommt«, sagte Blank. »Das

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