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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Dienst.«
    »Das läßt sich jederzeit ändern.«
    Mettler setzte sich wieder. »Ja. Ich kannte ihn. Die halbe Welt kannte ihn. Warum?«
    »Kurz bevor der Fichtenhof brannte, wurde ein schwarzer Jaguar gesehen, der von dort kam. Wir würden gerne wissen, wem er gehört. Haben Sie eine Ahnung?«
    Benny Mettler war kein guter Lügner. Er hätte ebensogut nicken wie den Kopf schütteln können. Es dauerte keine zehn Minuten, und Blaser wußte, daß eine gewisse Lucille einmal mit einem Mann im schwarzen Jaguar bei Joe Gasser aufgetaucht war. Mettler erinnerte sich nicht an seinen Namen. Auch den Nachnamen von Lucille kannte er nicht. Aber er wußte, daß sie einen Stand auf einem Flohmarkt hatte.
    Es gab nicht viele Flohmärkte in der Stadt und nur eine Standbewilligung, in der der Name Lucille vorkam. Lucille Martha Roth, Reifengasse 47, 3. Stock.
    Rolf Blaser ging den Dienstweg und bat die Kollegen von der Stadtpolizei, die Zeugin zu befragen.
    Nach drei Tagen erhielt er die Auskunft, daß diese für unbestimmte Zeit landesabwesend sei. Man habe eine polizeiliche Vorladung hinterlegt und werde sich melden, sobald sie auftauche.
    Gelbe Pinselstriche an den Tannen- und Buchenstämmen zeigten an, daß sich Urs Blank noch immer auf dem offiziellen Wanderweg befand. Noch einen halben Kilometer, dann wollte er den Weg verlassen und in nordwestlicher Richtung in den Wald stechen. Nach seiner Karte, Maßstab 1:25000, würde er dort auf einem Gebiet von etwa sechzehn Quadratkilometern auf keinen Weg stoßen.
    Blank hatte sich den Wald sorgfältig ausgesucht. Er lag eine gute Autostunde von der Stadt entfernt am Rande der Nordalpen. Er war groß, steil und nach seinen Unterlagen ein Plenterwald. Das bedeutete, daß er nicht im großen Stil bewirtschaftet wurde. Die Bauern holten sich die Stämme, die sie zum Bauen und Heizen brauchten, und pflanzten dafür neue Bäumchen. In solchen Wäldern gab es keine Forstwege, keine Kahlschläge und keine Baumschulen. Sie waren so, wie Blanks Wälder sein mußten: wild, abwechslungsreich und schwer zugänglich.
    Er war seit einer Stunde unterwegs. Er hatte einen gleichmäßigen Schritt gefunden, den er über lange Zeit aufrechterhalten konnte, ohne außer Atem zu geraten. Seine Wanderschuhe hatte er nach dem Kauf naß gemacht und – zum Erstaunen von Petra Decarli – im Büro getragen, bis sie trocken waren. Jetzt paßten sie perfekt.
    Um den Hals trug Blank seine wichtigsten Ausrüstungsgegenstände: Kompaß, Taschenmesser, Uhr und eine Trillerpfeife, mit der er notfalls auf sich aufmerksam machen konnte. Alles an einer separaten Kordel, wie es im Survival-Buch steht.
    Sein Rucksack war vollgepackt. Er enthielt Waschzeug und Ersatzkleider; Pullover, Wollmütze, Handschuhe, wasserdichter Poncho; Erste-Hilfe-Ausrüstung und Klopapier; Topfset, Kocher, Wasserflasche, Teller, Becher, Besteck; Tee, Kaffee, Zucker, Trockenmilch, Bouillonwürfel, Sardinen, Salami, Hartkekse, Dörrobst, Müesliriegel; Schlafsack, Zelt, Isoliermatte, Rettungsfolie, Biwaksack; Seil, Karabinerhaken; Fernglas, Taschenlampe, Wasserfilter, Wassersack; Tierführer, Pflanzenführer, Pilzatlas und Survival-Lexikon.
    In seiner linken Hosentasche steckte seine Survival-Notausrüstung. Eine wasserdichte Blechschachtel mit Draht, Sicherheitsnadeln, Angelschnur, Angelhaken, Bleigewichten; Signalspiegel, Knopfkompaß, Teekerze, Nadeln, Zwirn, Knöpfen; Brennglas, Taschensäge, Heftpflaster, Antibiotika, Wasserentkeimungstabletten, Skalpellklinge, Bleistift, Salz, Plastiksack, Kaliumpermanganat.
    In der rechten Hosentasche war Pius Otts Jagdmesser. Mit der Gravur Never hesitate.
    Für jemanden, der sich auf einer zweitägigen Waldwanderung befand, mochte diese Ausrüstung übertrieben sein. Aber Blank war kein Wanderer. Er wollte lernen, im Wald zu leben.
    An der Stelle, wo er den Wanderweg verlassen wollte, legte er eine Rast ein. Die Böschung war dicht bewachsen. Er erkannte Waldschwingel, Hasenlattich und Weißwurz. Er nahm drei bedächtige Schlucke aus der Wasserflasche. Über ihm hämmerte ein Specht. Im blauen Himmel zerfloß ein Kondensstreifen.
    Nach zehn Minuten zog er den Rucksack wieder an und stieg die Böschung hinauf. Er kam nur langsam vorwärts. Der gleichmäßige Teppich der Krautschicht war tückisch. Er verbarg Steine, Löcher, Spalten und Äste. Immer wieder mußte er Jungwuchs und undurchdringliche Hecken umgehen. Er drehte den Kompaß, bis die Nordnadel auf einer Umgehungsmarke lag, und zählte die

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