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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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gemeldet worden, weil er öfter längere Ausflüge in die Wälder mache und dann jeweils nicht erreichbar sei. Er sei ein geübter Waldgänger und gut ausgerüstet.
    »So gut ausgerüstet kann der nicht sein«, sagte der Dorfpolizist zu den Kantonspolizisten, die den inzwischen an Land gezogenen Wagen untersuchten. Sie hatten einen Rucksack gefunden, der Lebensmittel, Campingausrüstung, Kleider, einen Schlafsack und ein Zelt enthielt.
    Das Geröll, das der Bach mitführte, hatte eine der hinteren Scheiben eingedrückt. Das Innere des Wagens war mit Schlamm, Kies und Ästen gefüllt. Im Handschuhfach fanden die Polizisten einen aufgeweichten Paß, einen Schlüsselbund und eine Brieftasche. Sie enthielt über dreitausend Franken, eine Sammlung Kreditkarten und einen Führerschein. Daneben lag ein aufgequollener Briefumschlag. Er enthielt ein Blatt, das aussah wie ein Stück Batik. Es war ein Brief, dessen Tinte zerflossen war. Nur der gedruckte, leicht erhabene Briefkopf war zu lesen: Dr. Urs Blank, Rechtsanwalt, Attorney at Law.
    »Abschiedsbrief«, vermutete der Dorfpolizist. Es wäre nicht der erste, den er hier fand. Der Gründelsee war zwar nicht sehr groß, aber über vierhundert Meter tief. Da war schon mancher reingegangen, der nie mehr gefunden worden war.
    Alfred Wenger war von Blanks Sekretärin informiert worden und deshalb auf die Frage des Polizisten vorbereitet, der sich vor ein paar Tagen nach dem Anwalt erkundigt hatte.
    »Ist es denkbar, daß Urs Blank Selbstmord begangen hat?«
    Wenn man ihm diese Frage vor ein paar Monaten gestellt hätte, wäre ihm die Antwort leichtgefallen. Urs war kein Selbstmörder. Aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Nach all dem, was er von Blank wußte, und besonders nach allem, dessen er ihn inzwischen verdächtigte, konnte er sich vorstellen, daß ihm der Selbstmord als einziger Ausweg erschien.
    Wenn Wenger ganz ehrlich war: ihm auch. »Ja, das ist durchaus denkbar. Dr. Blank war in den letzten Monaten bei mir in Behandlung.«
    »Darf ich fragen, weshalb?« erkundigte sich Blaser ohne große Hoffnung.
    »Dr. Blank ist ein Patient von mir. Ich kann Ihnen keine Auskunft geben. Aber soviel kann ich sagen: Es würde mich leider nicht überraschen, wenn er sich etwas angetan hätte.«
    »Was mich am meisten beschäftigt: Es macht mir fast nichts aus. Ich versuche traurig zu sein, aber da ist nichts.«
    Evelyne Vogt saß mit Ruth Zopp im Saftladen, einem Lokal, wo es nur frische Säfte aus biologischen Gemüsen und ein biologisches Salatbüffet gab. Die Leute standen Schlange für einen kleinen Tisch, den sie nach einer halben Stunde wieder räumen mußten.
    »Ihr hattet euch ja auch schon sehr auseinandergelebt.«
    Evelyne nahm einen Schluck von ihrem Sellerie-Apfelsaft. »Er hat sich sehr verändert. Er ist mir fremd geworden. Ganz ehrlich gesagt: Er hat mir angst gemacht.«
    Ruth Zopp hatte einen Randensaft vor sich stehen. Wahrscheinlich, weil sein Rot genau zu dem ihrer Lippen und Nägel paßte. »Du bist erleichtert, stimmt’s?« Sie besaß ein Talent, Dinge auszusprechen, die besser ungesagt blieben.
    »Natürlich nicht«, entrüstete sich Evelyne.
    »Noch einen Wunsch?« erkundigte sich der Kellner in der Gärtnerschürze. Das Tischchen wurde gebraucht. Ruth Zopp bestellte die Rechnung. Der Kellner hatte sie wie zufällig schon dabei.
    »Was geschieht jetzt mit all seinen Sachen?«
    »Sein Vater lebt noch.«
    »Und sein Geld?«
    Evelyne hob die Schultern.
    »Und du?«
    »Mein Anwalt sagt, wenn es wenigstens einen Beweis dafür gäbe, daß er die Vertragsentwürfe zur Kenntnis genommen hat. Aber er hat ja nie reagiert.«
    »Die Freundin sitzt immer am kürzeren Hebel«, seufzte Ruth Zopp wie eine, die es wissen mußte.
    »Glaubst du, ich bin schuld?« fragte Lucille ihre Freundin Pat.
    Sie saßen am Küchentisch. Vor zwei Stunden hatte sie von Alfred Wenger erfahren, daß man damit rechnen müsse, daß Blank sich das Leben genommen hatte. Wenger hatte sie gebeten, unter diesen Umständen die Details ihrer Pilzerlebnisse für sich zu behalten.
    »Du spinnst. Wie konntest du ahnen, daß er wegen ein paar Pilzchen durchdreht.«
    »Ohne mich würde er noch leben.«
    »Und weiterhin Katzen und Menschen killen.«
    »Das ist nicht bewiesen.«
    »Durch das am letzten Mittwoch schon.«
    »Da hat er niemanden gekillt.«
    »Weil du ihm eine Pfanne über den Schädel gehauen hast.«
    Lucille war nicht überzeugt. »Ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen.«
    »Besser

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