Die dunkle Seite des Ruhms
nach, ob er wieder die amerikanische Botschaft anrufen sollte. Was man ihm dort sagen würde, wußte er im voraus: Haben Sie Beweise? Vermutungen, private Sorgen gehen uns nichts an. Wir können nur handeln, wenn wir Fakten in der Hand haben.
Und er würde antworten: Wenn Sie die Fakten – Felicitas' Verschwinden – in der Hand haben, ist es doch zu spät! Unternehmen Sie etwas!
Die Antwort darauf: Bedaure. Wir sind nicht dazu da, vorzubeugen, sondern Greifbares zu untersuchen.
Es war alles so seicht. Ballister bestellte den zweiten Cognac, aber er trank ihn nicht zu Ende. Der Portier erschien in der Bar, mit einem glücklichen Lächeln, als käme er zur Bescherung, und rief:
»Mr. Ballister? Ein Gespräch für Sie, Sir. Der gleiche Herr von vorhin! Ich hab' ihn an der Stimme erkannt …«
VIII
Noch nie in seinem Leben hatte Ballister neun Meter so schnell zurückgelegt wie in diesen Sekunden. Er hatte so viel Schwung, daß er in der Telefonzelle gegen die Rückwand prallte, irgendein hervorstehendes Brett sich ihm in den Magen bohrte, er mußte husten, hielt sich mit der Linken den schmerzenden Bauch fest und riß den Hörer ans Ohr.
»Ja?« schrie er. »Hier ist Ballister. Was ist los?«
»Mr. Ballister selbst?« fragte eine kühle Stimme zurück.
»Ja!«
»Sir, einen Moment, ich verbinde.«
Die Nüchternheit der Stimme trieb Ballister Angstschweiß auf die Stirn. Es ist etwas passiert, durchfuhr es ihn, während er das Knacken im Apparat hörte, die Umschaltgeräusche. Felicitas ist etwas zugestoßen! Diese kalte Stimme war ein staatliches Sprachrohr.
»Melden Sie sich!« brüllte er in den Hörer. »Zum Teufel, sagen Sie doch einen Ton!«
Dann war eine Stimme da, und Ballister mußte sich an die Wand lehnen, schloß die Augen und spürte, wie es in seinen Mundwinkeln zu zucken begann. Die Spannung löste sich, die Verkrampfungen zerbrachen, und er wunderte sich über sich selbst: Er war dem Weinen näher als jeglicher männlichen Stärke.
»Liebling –«, sagte die Stimme. Sie war so greifbar nah, als stände sie vor ihm. »Was ist denn los? Warum brüllst du so? Kannst du mich gut hören?«
»Lici …« Ballister schluckte mehrmals. »Mein Gott, wo bist du? Woher rufst du an? Lici –«
»Du bist ja aufgeregt, Liebling …«
»Ist das ein Wunder? Welche Frage!«
»Ich habe mir große Sorgen gemacht. Deine Panne habe ich im Rückfenster gesehen, aber wir konnten nicht anhalten, weil wir sowieso in Zeitdruck waren. Wir durften nicht zu spät kommen. Amin wartet nicht. Das ganze Interview wäre geplatzt. Wir mußten daher ohne dich weiter. War's schlimm, mein Schatz?«
Das hatten sie sauber organisiert, dachte Ballister bitter. Nur mit dem Auftauchen meines unbekannten Lebensretters konnten sie nicht rechnen. Die Gefahr war nun vorbei. Daß Felicitas anrufen konnte, war der Beweis, daß man umdisponiert hatte.
»Nein, es war nicht schlimm«, sagte er und atmete schwer. »Irgendwas am Motor. Ein freundlicher Araber kam des Weges und nahm mich zurück nach Tripolis. Das war alles. Ist es ein Wunder, daß in solchen Sandwolken die Motoren verrecken? Aber wie geht es dir?«
»Blendend, Liebling!«
»Woher rufst du an?«
»Wenn ich das wüßte. Irgendwo in der Wüste, in einer verdammt feudalen Oase. Unser Gespräch kommt per Funk und wird dann über die Telefonzentrale geleitet. So hat man mir's erklärt.«
»Und wo bist du jetzt?«
»In einem zauberhaften Haus inmitten von Palmengärten. Ein kleines Paradies, wenn nicht ein paar Meter weiter die einsamste Wüste beginnen würde. Wir haben gerade gegessen und ich habe mich geduscht.«
»Und Amin?«
»Erledigt«, sagte Felicitas Saunders nüchtern. »Das Interview ist gestorben.«
»Also nichts!«
»Umgekehrt, ich habe alle Aufnahmen im Kasten!«
»Du hast Amin wirklich gesprochen?«
»Aber ja. Er war sehr freundlich, hat mir tausend Komplimente gemacht und einen tollen Satz losgelassen: ›Sie wissen gar nicht, wie sehr sie der Welt damit geschadet haben, gegen mich eine Revolution anzuzetteln. Ich wäre bald der Kaiser von ganz Afrika geworden und hätte die Weltpolitik damit verändern können! Alle Menschen wären glücklich geworden und hätten im Überfluß leben können! Afrika kann vier Welten ernähren.‹ Was sagst du nun?«
»Wenig. War's auch wirklich Amin? Kein guter Doppelgänger?«
»So gut kann kein Doppelgänger sein wie Amin selbst! Er platzte von Sprüchen und sah noch dicker aus als früher. Nur als ich nach seinen
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