Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
werden durfte. Das
Bestreben, den Polizeiapparat allein unter wirtschaftspolitischen
Gesichtspunkten zu begutachten und entsprechend zu modifizieren, war schlicht
und ergreifend der falsche Ansatz. Sie waren kein produzierendes Gewerbe, und
die Arbeit eines Streifendienstlers konnte man nicht an der Anzahl der
geschriebenen Knöllchen messen.
Bevor seine gute Laune endgültig
verflog, legte Hackenholt die Zeitung beiseite, brachte seine Kaffeetasse in
die Küche zurück und schwang sich auf sein Fahrrad. Seit einigen Wochen war er
dazu übergegangen, so oft wie möglich den Drahtesel zu nutzen. Nicht nur weil
die Fahrerei ihn fit hielt – er ging schließlich nach wie vor einmal pro Woche
mit Wünnenberg zum Squash und in unregelmäßigen Abständen joggen –, der
Hauptgrund war, dass den Bediensteten des Polizeipräsidiums Mittelfranken so gut
wie keine Parkplätze mehr zur Verfügung standen. Natürlich gab es unter dem
Gebäude eine mehrgeschossige Tiefgarage, doch dort parkte ein Großteil der
Einsatzfahrzeuge der verschiedenen Fachdezernate. Die Sparmaßnahmen hatten auch
dazu geführt, dass das benachbarte Grundstück in der Schlotfegergasse seit der
Polizeireform nicht mehr weiter angemietet und schließlich vom Eigentümer
bebaut worden war.
Im Innenhof des Präsidiums
stellte Hackenholt sein Rad in einem noch relativ leeren Fahrradständer ab. Er war
ziemlich früh dran, doch in der kommenden Stunde würde sich der
Drahteselparkplatz derart füllen, dass man bei Dienstschluss am Nachmittag oft
erst einige Räder zur Seite zerren musste, um sein eigenes zu befreien.
Im Kommissariat war er der Erste
und riss sämtliche Türen und Fenster auf, um die frische Morgenluft durchziehen
zu lassen. Weil es in dem Gebäude keine richtigen Rollos, sondern nur
jämmerliche Jalousien gab, heizten sich die Räume wie ein Backofen auf. Als
eine Tür knallte, schreckte er auf. Er hatte vergessen, den Türstopper
davorzulegen.
Nach und nach trudelten die
Kollegen ein und nickten im Vorbeigehen einen Gruß ins Zimmer. Heutzutage kam
es nur noch selten vor, dass man sich mit Handschlag und kurzem Geplauder
begrüßte. Einzig Stellfeld war noch von der guten alten Schule. Er ging in
jedes Büro und begrüßte jeden einzelnen Mitarbeiter persönlich. Früher war das
gang und gäbe gewesen. Hackenholt seufzte tief. Was war heute Morgen eigentlich
los mit ihm? Warum fühlte er sich mit einem Mal so alt? Hatten das die
Spekulationen über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bewirkt?
»Und? Was ist gestern noch in
der Kleingartensiedlung herausgekommen?«, fragte Hackenholt in die Morgenrunde,
als sich die Kollegen im Besprechungszimmer versammelt hatten. Auch Christine
Mur war dabei. Sie zerlegte gerade mit größter Sorgfalt den von Hackenholt
geklauten Kugelschreiber.
»Der Gleingaddnverein Rehhof is ziemli grouß, dou gherd sogår nu er
Geflüchlzuchdverein derzou. Des sin åbber masdns Daumgoogerer.« Saskia Baumann
zog die Nase kraus.
»Wir konnten bisher noch nicht einmal einen Plan auftreiben, in dem
alle Parzellen eingezeichnet sind. Und weiter hinten, in Richtung Mögeldorf,
gibt es noch eine zweite Kolonie. In Rehhof haben wir gestern nicht alle Leute
erreicht«, erklärte Stellfeldt, »dafür aber Flugblätter in die Briefkästen
geworfen. Und auf dem Weg zurück zum Auto habe ich mit einem älteren Herrn
gesprochen, der mir den Namen eines Rentnerehepaars genannt hat, das dort immer
nach dem Rechten sieht. Heute Abend versuchen Saskia und ich, die beiden zu
erwischen, und dann machen wir in der nächsten Kolonie weiter.«
Mur ergriff das Wort. »Die Untersuchungen der Kleider sind
mittlerweile abgeschlossen. Wir haben haufenweise Fremdfasern gefunden. Gebt
mir Vergleichsmaterial, und ich kann euch sagen, ob sie damit übereinstimmen.
Unter den Fingernägeln haben wir nichts außer Erde gefunden, die vom Waldboden
stammt. Im eingeatmeten Wasser waren ebensolche Erdpartikel enthalten, womit
feststeht, dass der Mann im Wald gestorben ist und nicht etwa in Leitungswasser
ertränkt wurde.« Während sie sprach, hatte sie den Kugelschreiber wieder
zusammengebaut und malte nun Kreise auf Wünnenbergs Schmierblock. »Außerdem«,
fuhr sie fort, »habe ich gestern in beiden Gartenlauben, also in der
Langseestraße und im Leo-Beyer-Weg, Fingerabdrücke von Heinrich Gruber
gefunden.« Sie schnippte den Stift über den Tisch in Richtung Hackenholt, der
ihr gegenübersaß. »Das ist aber auch alles, was ich euch
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