Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
gefahren und hätte den Tag
danach gemütlich auf einem der Stadtfeste ausklingen lassen.
»Ich ruf dich an, sobald ich
absehen kann, wie lange es heute dauert«, versprach er. Dann stand er auf,
küsste Sophie auf die Augenbraue und machte sich auf den Weg ins Präsidium.
Den größten Teil des Vormittags
verbrachten Stellfeldt und Wünnenberg damit, sich bei den Eltern von Jonas’
Nachhilfeschülern zu erkundigen, wie viel Geld sie für den Förderunterricht
gezahlt hatten. Ein ums andere Mal gingen sie die Liste der getätigten
Einzahlungen durch und versuchten herausfinden, ob das Geld auf legalem Weg durch
Nachhilfestunden, Geburtstage, Weihnachten und Konfirmation erwirtschaftet
worden war oder doch aus dem Verkauf von Drogen stammte.
Hackenholt sprach währenddessen
noch einmal mit Jonas’ Klassenlehrer Hubertus Schmidt, der den Jungen in
Mathematik und Chemie unterrichtete. Der Mann fiel aus allen Wolken und
beteuerte, mit Jonas nie über Drogen und deren Herstellung gesprochen zu haben.
Immer wieder betonte er, die Schule sei besonders stolz darauf, keinerlei
Probleme mit Gewalt, Drogen et cetera zu haben.
Nach einem anschließenden langen und äußerst anstrengenden Gespräch
mit den Petzolds, das Hackenholt und Saskia Baumann diesmal im Präsidium und
nicht in der elterlichen Wohnung geführt hatten, fühlte sich der Hauptkommissar
erledigt. Nicht nur hatte er der fassungslosen Mutter und dem Vater erklären
müssen, dass ihr Sohn sehr wahrscheinlich in die illegale Herstellung von
Drogen verwickelt war, sondern sie auch auf die daraus resultierende Folge
vorbereiten müssen: eine polizeiliche Hausdurchsuchung.
Erst nachdem Baumann mit einer Handvoll Kollegen und den zeternden
Petzolds, die immer noch nicht glauben wollten, was ihnen über ihren Sohn
mitgeteilt worden war, das Kommissariat verlassen hatte, konnte sich Hackenholt
eine kurze Erholung gönnen. Für eine verspätete Mittagspause setzte er sich auf
eine der Parkbänke, die von drei Bäumen und ein paar buschigen Sträuchern
umgeben gleich neben dem Eingang zum Präsidium am Jakobsplatz standen. Am
liebsten hätte er sich ein paar Minuten lang in die Sonne gelegt, doch er
fürchtete, sofort einzuschlafen. So begnügte er sich damit, sein Wurstbrötchen
mit den Spatzen zu teilen, die ihn neugierig umringten und jeden Krümel, den er
ihnen zuwarf, hungrig aufpickten.
Er war kaum wieder in seinem Büro, da schaute der sachverständige
Kollege vorbei, der sich um Jonas’ Laptop kümmerte. Er brachte Hackenholt einen
mickrigen Stapel Papier: Listen der Internetseiten, die der Schüler besucht
hatte, und ausgedruckte E-Mails. Der Hauptkommissar machte sich sofort daran,
die wenigen Nachrichten zu lesen, die im E-Mail-Client auf dem Computer
gespeichert waren. In ihnen ging es entweder um Hausaufgaben, die ein
Nachhilfeschüler nicht verstand, oder um Übersetzungen, bei denen Jonas’
Klassenkameraden Hilfe benötigten. Auch ein paar Mitteilungen von Lehrern waren
darunter. Das war aber auch schon alles und somit wenig hilfreich.
Allerdings hatte Jonas auch den
Windows Live Messenger installiert, der nicht nur bei Jugendlichen beliebt war.
Leider handelte es sich nicht um die Plus-Version, bei der die Gespräche auf
dem Computer gespeichert wurden. So wusste Hackenholt jetzt zwar, dass die
Kontaktliste fünfundzwanzig Personen umfasste, allerdings nicht, wer sich
hinter den einzelnen Pseudonymen verbarg oder was sie miteinander gesprochen
hatten.
Im Gegensatz dazu war die Liste
der im Internet besuchten Seiten sehr umfangreich. Offenbar hatte Jonas es
nicht für nötig gehalten, seine Spuren auf seinem Computer zu verwischen, indem
er den Cache regelmäßig leerte. Hackenholt rief jede einzelne Seite auf. Er
wollte sich ein Bild davon machen, was sich hinter dem jeweiligen Domainnamen
verbarg. Hatte er zunächst befürchtet, seine eingerosteten Englischkenntnisse
hervorkramen zu müssen, da der Junge das World Wide Web vielleicht auch
wirklich weltweit genutzt haben könnte, merkte er schnell, dass seine
Befürchtungen umsonst gewesen waren. Die meisten Seiten, die der Kollege vom
Fachkommissariat ermittelt hatte, stammten aus dem deutschsprachigen Raum.
Natürlich nutzte Hackenholt
selbst häufig das Internet und hegte keinerlei Berührungsängste, so alt war er
mit Anfang vierzig dann doch noch nicht, aber wenn er damit zu tun hatte, dann
zumeist beruflich und nie allzu intensiv. Seine private Welt bestand eher aus
Büchern und
Weitere Kostenlose Bücher