Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Jugendlichen konnte man kaum erkennen, den anderen hatte sie dagegen viel
besser erwischt, wenn auch dieses Foto unscharf war. Hackenholt druckte dennoch
alle Bilder aus und rief dann Sara an. Sie war mittlerweile mit ihrer Freundin
in die Erler-Klinik gebracht worden. Wegen des regen Betriebs, der dort
herrschte, waren sie jedoch noch lange nicht an der Reihe, also stieg
Hackenholt notgedrungen wieder ins Auto und fuhr zur Notaufnahme. Dort befragte
er die beiden Mädchen und ließ sich die Geschehnisse des Nachmittags noch
einmal genau erzählen. Wie sich die Jugendlichen verhalten hatten, ob sie
allein unterwegs oder noch andere Freunde dabei gewesen waren, ob sie sich
unterhalten und die Mädchen ihre Sprache verstanden hatten.
Am Ende schüttelte Sara nur noch
den Kopf. »Ich weiß nichts mehr. Echt nicht. Ich komme mir schon vor, als hätte
ich nur noch Watte im Kopf.«
Hackenholt beließ es dabei. Er
kannte das Gefühl nur zu gut.
Wünnenberg war in der
Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Er sah sich die VAG -Videos sämtlicher Überwachungskameras für die
Haltestelle Lorenzkirche an. Zum Glück konnte er den Zeitraum auf eine
Viertelstunde eingrenzen, denn in der Station gab es viele verschiedene
Kameras. Dennoch dauerte es lange, bis er auf einem Band die beiden Gesuchten
entdeckte. Seelenruhig fuhren sie mit der Rolltreppe von der Passage in den
U-Bahnhof hinunter, lachten, schubsten sich gegenseitig, gingen den Bahnsteig
entlang und stiegen schließlich in die nächste U-Bahn ein. Es war die U 1,
Richtung Langwasser Süd. Wünnenberg zückte sein Handy, um Hackenholt anzurufen.
Er erreichte ihn im Auto auf dem Rückweg von der Erler-Klinik.
»Ich habe gerade die
Jugendlichen entdeckt. Sie sind tatsächlich runter zur U-Bahn und in die U 1
gestiegen.«
»Großartig! Weißt du auch schon,
wo sie hingefahren sind?«
»Nein, deswegen rufe ich ja an.
Kannst du herkommen? Wir müssen sämtliche Videos der zwölf Haltestellen
durchgehen, um zu sehen, wo sie ausgestiegen sind. Das sind zig Videos, weil es
auf jedem Bahnsteig und an den meisten Ausgängen mehrere Kameras gibt.«
»Okay, bin gleich da«, versprach
Hackenholt.
Gemeinsam sahen sie sich als
Erstes die Sequenzen der Videos an, die die jungen Männer an der Haltestelle
Lorenzkirche zeigten.
Hackenholt nickte befriedigt.
»Das sind sie. Ganz eindeutig. Welche Haltestelle kommt danach? Hauptbahnhof?
Ich fahre nicht so oft mit den Öffentlichen.«
»Ja, Hauptbahnhof. Dann hoffen
wir mal, dass sie da nicht ausgestiegen sind. Wenn wir sämtliche Bänder vom
U-Bahnverteiler nach ihnen durchsuchen müssen, um herauszufinden, wohin sie
sich von dort weiterbewegt haben, dann sitzen wir heute Abend um zehn noch
hier.«
Jeder der beiden Beamten sah
sich andere Kameramitschnitte an. Der Bahnsteig war sehr voll, und man konnte
die Aussteigenden nur schwer erkennen. Fünfzehn Minuten später waren sie sich
jedoch sicher, die Jugendlichen in keiner der Aufnahmen entdeckt zu haben.
»Also weiter, auf zum
Aufsessplatz, das ist der nächste Bahnhof. Der ist wieder überschaubarer. Du
kannst dich ja gleich der übernächsten Haltestelle widmen, dem Maffeiplatz«,
schlug Wünnenberg vor.
So arbeiteten sie sich
Haltestelle für Haltestelle Richtung Langwasser vor, bis Hackenholt schließlich
auf einem Video der Haltestelle Messe einen der beiden Jugendlichen erspähte.
Die Bahnsteige wurden, je weiter sich die U-Bahn vom Zentrum entfernte, immer
leerer, sodass Hackenholt auf einem Mitschnitt sehen konnte, wie der Größere
der gesuchten Jugendlichen den Kopf aus der U-Bahn steckte und den Bahnsteig
entlangschaute. Allerdings verließ er den Zug nicht, sondern schien sich
vielmehr über den langen Aufenthalt im Bahnhof zu ärgern.
Das nächste Mal war es
Wünnenberg, der die Jugendlichen entdeckte. Sie stiegen an der Haltestelle
Langwasser Mitte aus.
»In welcher Straße kommt man
raus, wenn man in diese Richtung geht?«, fragte Hackenholt den Mitarbeiter der VAG , den sie zur Auswertung der Bänder
hinzugezogen hatten. Ein netter, kurz vor der Pensionierung stehender Mann mit
einem enormen Schnauzbart. Leider fielen seine Antworten zumeist etwas
umfangreicher aus, was sicher sehr interessant und unterhaltsam gewesen wäre,
hätten sie sich für einen historischen Rundgang bei ihm angemeldet, nicht
jedoch jetzt, wo es ihnen pressierte.
»Die Haltestelle Langwasser
Mitte wurde am 1. März 1972 eröffnet und war damit der dritte U-Bahnhof in
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