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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Eindruck, sehr schnell zu laufen, wurde aber nicht müde. Und der Abstand schrumpfte. Ich kam ihm näher! Plötzlich war ich nur noch zehn Meter von ihm entfernt, dann fünf, dann einen, und schließlich waren es nur noch zehn Zentimeter. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Er blieb stehen. Ich wagte nicht, mich zu rühren. Und dann hat er sich umgedreht. Endlich konnte ich ihn sehen. Er war ich. All die Jahre hindurch war ich hinter mir selbst hergerannt! Ich schreckte aus dem Schlaf auf. Mein Herz pochte zum Zerspringen, und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Um mich herum schliefen alle. Die Engländer, die Holländerinnen, die drei oder vier völlig besoffenen Typen, die außer uns noch in dem mit Graffiti beschmierten Haus wohnten, und die Hunde. Es stank zum Erbarmen. Ich stand auf, packte meine Klamotten und den Schlafsack zusammen und nahm alles Geld, das ich finden konnte. Die Engländer mit ihren Furcht erregenden Piercings und den Hunden würden das Geld schnell wieder reinholen.
    Draußen war es mild. Eine Kirchturmuhr zeigte vier Uhr. Ich stellte mich an eine Ausfallstraße und hob den Daumen. Gegen acht Uhr hielt ein Lastwagen, der mich bis Perpignan mitnahm. Der Fahrer, ein Franzose, redete ununterbrochen. Ich kam nicht zum Nachdenken. Genau genommen war ich es, der in Perpignan aussteigen wollte. Ich ertrug den Kerl einfach nicht mehr. Ich ging in eine Kneipe, bestellte mir etwas zu essen und zu trinken, setzte mich auf eine Bank und dachte über meinen Traum nach. Ich versuchte zu verstehen, warum ich so viele Jahre hindurch mir selbst nachgelaufen war. Das, was ich spürte, war so stark, dass ich es weder analysieren noch begreifen konnte.
    Ich blieb etwa vierzehn Tage in Perpignan und schlief, wo es sich gerade ergab. Meine Träume veränderten sich. Mehrmals – innerhalb von zwei Wochen habe ich es acht Mal aufgeschrieben – träumte ich, dass ich mit mir zusammen war. Wir spazierten nebeneinander her, ohne viel zu reden, und aßen und tranken das Gleiche. Wenn wir uns ansahen, waren wir glücklich. Wir verstanden uns ohne große Worte. Ich wollte nicht mehr aufwachen, weil ich dann ohne mich sein musste.

23
    M ONTAG , 18. A UGUST 2003
    Um acht Uhr morgens betrat Élisabeth Maréchal das sprachtechnische Labor im Technikzentrum der Polizei in Écully bei Lyon. Tontechnik war ihr Hobby und ihr Job. Die Klimaanlage, die die Computer vor der extremen Hitze schützte, surrte leise, und Maréchal konnte sich auf diese Weise gleich doppelt auf ihre Arbeit freuen. Die Möglichkeiten der menschlichen Stimme begeisterten sie. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Vorträge mit den Worten »Ein Mensch, eine Stimme« zu beginnen, um damit zu betonen, wie einzigartig die Stimme eines jeden menschlichen Wesens ist. In ihren Vorträgen spielte die charmante Wissenschaftlerin mit ihrer eigenen Sprachmelodie und schlug so die Zuhörer in ihren Bann.
    Als Stimmenexpertin galt sie vor Gericht und in entsprechenden Ermittlungen als Koryphäe. In ihrem Labor hatte sie eine Datenbank angelegt, in der nicht nur die Unterschiede zwischen den wichtigsten Fremdsprachen, sondern auch verschiedene Akzente und Dialekte sowie alle möglichen technischen Charakteristika hinterlegt waren, mit denen man menschliche Stimmen erkennen konnte.
    Seit etwa vierzehn Tagen befasste sie sich mit einer CD, auf der mit rotem Stift der Vermerk »Dringend« stand und die ihr von der Terrorbekämpfung zugeschickt worden war. Sie enthielt Aufnahmen, in denen Terroristen die Verantwortung für Attentate übernahmen oder per Telefon Forderungen stellten. Zunächst hörte Élisabeth Maréchal die Aufzeichnungen aufmerksam an, um einen Eindruck von der regionalen Sprachfärbung zu bekommen. Anschließend verglich sie die Stimmen mit den Daten ihrer Bibliothek. Auf den Kontrollmonitoren verfolgte sie, wie Kurven und Graphe umso mehr übereinstimmten, je ähnlicher die Stimmen auf der CD denen in der Datenbank waren.
    Die Expertise für die Terrorbekämpfung war fast fertig. Maréchal konsultierte ihre Notizen und verfasste in kurzer Zeit ihren Bericht. Anschließend stand sie auf und schaute nach, was sie als Nächstes erwartete. Es waren drei DVDs, die ihr von der Pariser Kriminalpolizei zugeschickt worden waren und denen eine kurze Erklärung beilag. Der erste Tonträger enthielt den Mitschnitt mehrerer anonymer Anrufe beim Radiosender FIP. In der Hülle der zweiten steckte ein Zettel mit der Aufschrift

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