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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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offenbar Lora Dimitrova stand.
    Der Direktor des Gefängnisses, in dem Jean-Pierre Brial einsaß, rief den Untersuchungsrichter an und berichtete ihm von dem Gespräch über Seneca zwischen dem Gefangenen und dem Gefängnisgeistlichen. Bei dieser Gelegenheit erkundigte sich Nicolas Tarnos, ob Brial sein Verhalten inzwischen geändert hätte. »Er stopft sich mit gezuckerter Kondensmilch voll«, war die Antwort, »bleibt nach wie vor passiv und scheint geduldig auf etwas zu warten. Ich habe allerdings keine Ahnung worauf.«
    Nachdenklich und verärgert legte Nicolas Tarnos auf. Täglich erwartete er den Antrag von Brials Anwalt auf Haftverschonung, und wenn es bis dahin keine neuen Erkenntnisse gab, würde er ihm wohl oder übel zustimmen müssen.
    Vor der offenen Tür von Mistrals Büro wartete ein junger Mann geduldig auf die Rückkehr des Kommissars.
    Élisabeth Maréchal setzte ihre Teetasse ab und legte die nächste DVD in das Laufwerk ihres Computers ein. Dann blickte sie auf die Uhr Uhr. Drei Anrufe von jeweils ein paar Sekunden , dachte sie, das geht sicher schnell . Sie setzte ihre Kopfhörer auf, die jeden Lärm von außen ausfilterten, schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Stimme. Gleich bei der ersten Aufzeichnung riss sie erstaunt die Augen auf und ließ sie ein zweites Mal ablaufen. Gleichzeitig überprüfte sie die Aufschriften auf den Hüllen. »Radio FIP«, stand auf der ersten. Die Analyse war vom Personenschutz in Auftrag gegeben worden. Die zweite Anfrage stammte eindeutig von der Kriminalpolizei. Zwei unterschiedliche Abteilungen, die nach demselben Mann fahndeten, ohne es zu wissen! Und ihr war es vergönnt, diese Tatsache durch eine Stimmenanalyse herauszufinden. Maréchal wurde nervös und konzentrierte sich umso intensiver auf die beiden verbliebenen Nachrichten.
    »Der Anrufer ist mit hundertprozentiger Sicherheit derselbe wie der bei FIP«, notierte sie auf ihren Block. »Trotzdem unterscheiden sich Intonation und Ausdrucksweise grundlegend. Der Mann ist ruhig, spricht wohlüberlegt, moduliert seine Stimme und hält sich im Zaum. Lässt weder Gefühle noch Eifer zu; Fremdgeräusche werden durch Stoff vor dem Hörer unterdrückt.«
    Mit einigen Tastenbefehlen entfernte sie die Filter, die die Stimme des Anrufers dämpften. Sofort wurde der Klang klarer. Im Hintergrund war die Lautsprecheransage in einem Bahnhof zu hören. »Der Sprecher artikuliert deutlich und trennt die einzelnen Worte; er überwacht seine Stimmmodulation und lässt jeden Satz neutral klingen.« Nachdem Maréchal ihren Kommentar geschrieben hatte, überprüfte sie am Bildschirm die entsprechenden Kurven. Sie stimmten sowohl in der Aussprache einzelner Worte als auch im Rhythmus, dem Abstand zwischen den Silben und häufig auch im Ton überein. Gebannt verfolgte sie, wie sich die Stimme des Unbekannten gegenüber seinen Gesprächspartnern veränderte, je nachdem, ob er sich kontrollierte oder ob er erregt war.
    Um 14.00 Uhr beschloss die Wissenschaftlerin, schnell einen Happen in der Cafeteria des Labors zu essen. Kaum zwanzig Minuten später saß sie schon wieder an ihrem Arbeitsplatz und schob die Aufzeichnung aus dem Diktafon in ihr Lesegerät. Zunächst machte sie eine Sicherungskopie, ehe sie das Analyseprogramm startete. Kaum dass der Mörder die ersten Worte ausgesprochen hatte, notierte sie auf ihren Block: »Es handelt sich um den gleichen Mann, der auch die Feuerwehr informiert hat. Im vorliegenden Fall moduliert er seine Stimme nicht – sie klingt wie bei einigen Anrufen bei FIP. Er ist der Meinung, die Situation unter Kontrolle zu haben.«
    Élisabeth Maréchal war wie elektrisiert. Wann ergab sich schon einmal die Chance, eine solche Analyse durchzuführen, die das gesamte Wissen ihres Faches erforderte? Fasziniert lauschte sie dem Wortwechsel zwischen Täter und Opfer. Dabei konzentrierte sie sich auf die rein technische Komponente, damit die Qualen in Lora Dimitrovas sie nicht emotional überwältigten.
    »Täter steht unter schwerstem Stress«, notierte sie nervös. »Er hat Angst, spricht mit schriller Stimme, will sein Opfer daran hindern, bestimmte Worte auszusprechen.«
    Maréchal ließ erneut die Stelle ablaufen, wo die junge Frau schrie: »ICH WILL GAR NICHT WISSEN, WER SIE SIND!« Hastig schrieb sie: »Scheint die Identität des Täters zu kennen, hofft jedoch, nicht deswegen sterben zu müssen. Sie schreit. Erinnert sich daran, dass ihr Diktafon bei lauten Geräuschen anspringt. Dimitrova

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