Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
ihm.
»Guten Tag, Herr Kommissar. Ich bin Éric Sartet vom Erkennungsdienst. Sie wollten mich sprechen?«
Mistral hatte den Termin völlig vergessen und fühlte sich auf dem falschen Fuß erwischt. Die Aspirin hatten noch nicht einmal ansatzweise gewirkt; der hartnäckige Kopfschmerz schien seinen Kiefer zu blockieren.
»Ja, richtig. Treten Sie ein. Setzen wir uns an den Konferenztisch, dort können wir die Fotos besser betrachten.«
Vor ein paar Monaten hatte die Spurensicherung einigen ausgewählten Abteilungsleitern eine neue Methode der Personenerkennung vorgestellt, die von den Engländern benutzt wurde. Sartet, der gerade von einem Lehrgang in London zurückgekommen war, hatte seine Zuhörer mit dem Beweis verblüfft, dass man zur Identifizierung von Personen das Ohr in gleicher Weise benutzen konnte wie einen Fingerabdruck.
»Ich möchte Ihr Referat über die Abdrücke von Ohren in die Praxis umsetzen«, sagte Mistral. »Hier haben wir Fotos von Eingangstüren zu drei Wohnungen, in denen Morde begangen wurden. Die Türen wurden von der Feuerwehr aufgebrochen und blieben offen, bis die Arbeiten in den jeweiligen Wohnungen beendet waren.«
Sartet schien Mistral kaum zuzuhören, sondern betrachtete die Fotos.
»Sie wünschen also, dass ich versuche, die Ohrabdrücke des Mörders zu finden, richtig?«
»Ja ... also, sofern es möglich ist. Ich könnte mir vorstellen, dass der Täter sein Ohr an die Tür gelegt hat, um festzustellen, ob sein Opfer allein zu Hause war ...«
Der junge Beamte nickte und fuhr fort, die Fotos aufmerksam zu begutachten.
»Können die Spuren nicht verwischen?«, fragte Mistral verwundert.
»Nein, es sei denn, jemand hat sich an die Tür gelehnt. Normalerweise befinden sich die Ohrabdrücke oberhalb der Zone, die meist von den Schultern berührt wird. Wenn der Mann auch nur von mittlerer Statur ist, haben wir gute Chancen, dass die Abdrücke noch dort sind. Wenn er allerdings eher klein sein sollte ...«
»Diese Fotos scheinen Sie ja richtig zu faszinieren. Gibt es irgendein Problem?«
»Eigentlich nicht. Zwei dieser Türen sind offenbar lackiert, was für Abdrücke geradezu ideal ist. Zu der dritten Tür kann ich im Moment noch nichts sagen.«
»Schön. Wann hätten Sie Zeit?«
»Meinetwegen sofort. Ich habe eine solche Untersuchung noch nie durchgeführt«, erklärte der junge Polizist enthusiastisch. »Es wird sozusagen eine Premiere.«
»Kennen Sie Kommissar Farias?«
»Nein.«
»Er arbeitet an diesem Fall und wird Sie begleiten.«
Der Kfz-Mechaniker hatte das ganze Wochenende gebraucht, um den Kotflügel des Chrysler Voyager zu reparieren. Nachdem der Lack getrocknet war, montierte er den Scheinwerfer. Sein Kunde hatte es eilig; er wollte in den Urlaub fahren und hatte seiner Frau den kleinen Unfall verschwiegen.
Der Kunde bezahlte bar und stieß dann einen erleichterten Seufzer aus. Er kam mit einem blauen Auge davon, obwohl die Werkstatt nicht gerade billig war. Beruhigt fuhr er die etwa fünfzig Kilometer nach Hause. Die Sache war ausgestanden.
Zwei Polizeiwagen, in denen Ingrid Sainte-Rose, Roxane Félix und drei weitere Beamte der Verkehrspolizei saßen, erwarteten den Eigentümer des Chrysler Voyager in der Nähe seines kleinen Hauses. Aufgrund der bekannten Teile des Nummernschildes waren fünf Fahrzeuge in Frage gekommen, von denen vier schnell ausgeschlossen werden konnten.
Gegen 15.30 Uhr hielt der Van vor der Tür des kleinen Hauses. Die Polizisten hatten einander abgelöst, um abwechselnd zum Mittagessen gehen zu können. Erleichtert sahen sie den Wagen vorfahren, dessen Kennzeichen teilweise von den Überwachungskameras eingefangen worden war.
Der Fahrer stieg aus und sah zwei junge Frauen auf sich zukommen. Eine der beiden präsentierte eine Dienstmarke der Polizei, die andere erklärte, dass sein Auto wirklich gut repariert worden sei. Dem Mann blieb keine Zeit, die Information zu verdauen, denn schon tauchten drei weitere Polizisten neben ihm auf und legten ihm Handschellen an. Als das Gehirn des Mannes endlich reagierte, fand er, dass seine Lage keinesfalls erbaulich war.
Mistrals Handy vibrierte. Er nahm das Gespräch an, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Bravo! Ihr dürft es Morin selbst mitteilen. Und wenn ihr heute Abend ins Büro kommt, bringt die Kollegen von der Verkehrspolizei gleich mit. Ich gebe einen aus.«
Beeindruckt beobachtete José Farias seinen Kollegen vom Erkennungsdienst bei der Arbeit. Seit fünf
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