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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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UGUST 2003
    Der TGV fuhr mit zweihundertachtzig Stundenkilometern Geschwindigkeit in Richtung Paris. Trotz der durchgearbeiteten Nacht konnte Élisabeth Maréchal nicht schlafen. Äußerlich ruhig, aber innerlich bis zum Zerreißen gespannt betrachtete sie die vorüberfliegende Landschaft. Vor der Abreise hatte sie ihrem Chef eine kurze Nachricht geschrieben. Die Sprachanalysen trug sie in einem kleinen Aktenkoffer bei sich; eine zweite Tasche enthielt eine Thermoskanne mit heißem Kaffee.
    Pünktlich um 9.30 Uhr verließ sie die Metrostation Cité und eilte mit raschen Schritten zum Quai des Orfèvres. Ludovic Mistrals Sekretärin bat sie um ein wenig Geduld, weil ihr Chef noch eine Unterredung mit dem stellvertretenden Direktor habe; falls es jedoch dringend sei, könne sie mit Vincent Calderone sprechen. Élisabeth Maréchal wollte lieber warten. Ihre Nervosität stieg. Ständig fuhr sie sich mit der Hand durch das blonde Haar.
    Vierzig Minuten später kam Ludovic Mistral durch den Flur auf sie zu. Sie bemerkte sofort, dass sein Gesicht nicht die übliche Energie ausstrahlte. Als Ludovic die junge Frau erkannte, freute er sich sichtlich.
    »Élisabeth Maréchal höchstpersönlich! Was verschafft mir die Ehre?«
    »Mach dich ruhig über mich lustig«, antwortete sie grinsend. »Aber ich bin tatsächlich eigens deinetwegen hier.«
    Sie stellte ihre Thermoskanne auf den Konferenztisch.
    »Ich weiß noch, dass du in puncto Kaffee ein Feinschmecker bist, aber auch, dass die Plörre hier im Präsidium ungenießbar ist. Hier drin ist Kaffee aus Jamaika, und zwar Blue Mountain. Ich habe ihn extra für dich vor meiner Abreise aufgebrüht. Du wirst sehen, er ist köstlich.«
    Maréchal schenkte zwei Tassen ein und wartete, bis Mistral gekostet hatte.
    »Und? Wie findest du ihn?«
    »Fantastisch. Du solltest wirklich öfter kommen! Aber mal im Ernst: Was verschafft mir das Vergnügen? Du willst doch nicht etwa behaupten, dass dich die Stimmproben nach Paris verschlagen haben.«
    »O doch! Genau das. Ich hatte drei Möglichkeiten: entweder zu telefonieren, dir eine Mail zu schicken oder dich zu besuchen. Aber angesichts dessen, was ich entdeckt habe, wollte ich lieber von Angesicht zu Angesicht mit dir reden.«
    »Jetzt werde ich aber wirklich neugierig. Ist es so wichtig?«
    Mistral war wieder ernst geworden. Er goss sich eine weitere Tasse des jamaikanischen Kaffees ein.
    Élisabeth Maréchal nahm die Diagramme ihrer Gutachten aus der Tasche.
    »Ehe ich dir die Einzelheiten erkläre, fange ich gleich mit dem Ergebnis an: Bei dem Kerl, der tagelang das Telefon von FIP belagert, dem Typen, der drei Notrufe bei der Feuerwehr abgesetzt hat, und dem Mörder, dessen Stimme auf dem Diktafon aufgezeichnet ist, handelt es sich um ein und denselben Mann.«
    Der Adrenalinstoß, der Mistral durchfuhr, wusch die Folgen seines Schlafmangels einfach fort.
    »Was sagst du da? Bist du dir ganz sicher?«
    »Ich dachte mir, dass du das fragen würdest«, lächelte Élisabeth Maréchal. »Ja, ich bin mir völlig sicher; es gibt nicht den geringsten Zweifel. Und das gilt auch für den Fall, dass ich als Expertin vor Gericht zitiert würde – solltest du dieses Monster je schnappen.«
    Über eine Stunde lang erklärte die junge Frau ihre Sprachanalyse bis ins Detail und ging auch auf die psychologischen Erkenntnisse ein, die sie aus der genaueren Überprüfung gewonnen hatte. Mistral schrieb mit, stellte ein paar Zwischenfragen und dachte gleichzeitig nach.
    »Es gibt da noch etwas«, fügte die Wissenschaftlerin hinzu. »Lora Dimitrova hat ihren Mörder nicht sofort erkannt, denn sonst hätte sie ihm wohl nicht die Tür geöffnet. Erst Minuten später wurde ihr klar, wer da vor ihr stand. Sie musste sich schnell entscheiden. Wenn sie es klipp und klar gesagt hätte, hätte der Täter vielleicht geahnt, dass irgendwo ein Aufzeichnungsgerät versteckt war. Blieb die Möglichkeit, eine versteckte Information zu geben. Und das hat sie getan.«
    »Ja, aber was ist es? Wir haben die Aufzeichnung zigmal angehört, doch uns ist nichts aufgefallen.«
    »Erinnerst du dich, dass der Kerl sie mehrmals aufgefordert hat, den Mund zu halten? Ich habe die Aufzeichnung gefiltert, um die Worte der Dimitrova zu verstehen, die der Mörder zu übertönen versucht. Hör mal zu!«
    Élisabeth Maréchal stellte ein digitales Abspielgerät auf den Tisch und schaltete es ein. Die Stimme der Dimitrova schallte durch das Büro. Nachdem sie von allen Umgebungsgeräuschen

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