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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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erhärten, hatte Élisabeth Maréchal die drei Mordfälle so gut wie gelöst.

24
    A M GLEICHEN T AG
    Olivier Émery wurde von der nervösen Fahrweise eines Kollegen gründlich durchgerüttelt. Er dachte an die beiden beschwerlichen Tage, die hinter ihm lagen. Das ganze Wochenende hindurch hatte er darüber nachgedacht, wie er sich in Zukunft verhalten sollte. Dabei war der Besuch der Polizei wegen der Beschwerde seines Nachbarn ein neuer Aspekt, den er nicht außer Acht lassen durfte.
    In den letzten achtundvierzig Stunden war er nicht in seiner Wohnung gewesen und hatte kaum geschlafen. Ängste peinigten ihn. Von Kneipe zu Kneipe war er geirrt und hatte seine Tabletten immer nur dann genommen, wenn er gerade daran dachte. In der Nacht zum Sonntag hatte ein Anfall ihn überrascht, als er betrunken in seinem in einer ruhigen Seitenstraße geparkten Auto eingedämmert war. Die Schmerzen überwältigten ihn so heftig, dass er glaubte, sterben zu müssen. Er hatte gerade noch Zeit, sich zerfetzte Papiertaschentücher in die Nase zu stopfen, ehe das Blut hinausströmte.
    Nachdem der Anfall abgeklungen war, machte er sich langsam, fast im Zeitlupentempo, auf den Rückweg in die Rue de Budapest. Die Treppe zu seiner Wohnung erschien ihm schier unüberwindlich. Als er vor der Tür der Lestrades vorüberging, überfielen ihn grimmige Mordgelüste. Mit letzter Kraft erreichte er sein Appartement. Er stellte sich eine halbe Stunde unter die Dusche, ehe er auf sein Bett sank.
    Am folgenden Morgen nahm er seine Medikamente und widmete sich anschließend mit Hingabe seiner Morgengymnastik, die er mit einer Serie längerer und heftigerer Seilsprünge als sonst abschloss. Er verließ die Wohnung mit einem Seesack über der Schulter, die sein ganzes Leben in diesem Appartement in der Rue de Budapest enthielt. Das Spiel ging weiter. Eine neue Partie würde folgen.
    Wenn Olivier Émery einen Tiefpunkt erreichte – wie an diesem Tag –, verlor er jegliche Hoffnung und hatte das Gefühl, dass alles verloren war. Da nutzte es nicht einmal, bei FIP anzurufen, da ihm auch dort kein Trost zuteil wurde. Außerdem fürchtete er, dass der angestaute Stress zu einem neuerlichen Anfall führen könne. Er brauchte Zeit zum Entspannen. Fünf oder sechs Tage würden genügen. Sein Teamchef war zwar ein Wichtigtuer mit großer Klappe, aber im Grunde ein guter Kerl.
    »Chef, ich bin völlig fertig. Seit ein paar Tagen halte ich mich nur noch mit Medikamenten aufrecht. Ich brauche ein paar Tage Auszeit.«
    »Mir ist schon aufgefallen, dass du in letzter Zeit nicht richtig in Form bist. Die Hitze hat uns die Arbeit auch nicht gerade erleichtert! Heute ist Montag. Bleib einfach den Rest der Woche zu Hause und ruh dich aus. Ich hoffe ja doch, dass die nächste Woche ruhiger werden wird. So wie jetzt – das hält ja kein Mensch aus. Und komm gesund zurück.«
    »Danke. Ich fahre nachher noch ins Büro und gebe einen Urlaubsantrag ab.«
    »Falls du dich in der Lage fühlst, komm doch am Freitag kurz vorbei. Angesichts der vielen Arbeit und der Überstunden steht nämlich jedem von euch eine nette Prämie zu. Aber vielleicht hat das ja auch Zeit bis Montag.«
    »Das nenne ich mal eine gute Nachricht. Freitag bin ich da!«
    Gegen 13.00 Uhr betrat Olivier Émery eine Bar und wählte eine Nummer, die er auswendig kannte, obwohl er sie seit mehr als achtzehn Jahren nicht mehr gewählt hatte. Beim sechsten Läuten meldete sich die wohlbekannte Stimme: »Hallo?« In diesen beiden Silben erkannte Émery alle Müdigkeit und Trauer der ganzen Welt. Er lehnte den Kopf gegen die Wand, die das Telefon von der Toilette trennte, und schloss die Augen.
    »Ich bin’s. Ich komme heim.«
    Mit der dicken Akte der drei Mordfälle unter dem Arm betrat Mistral sein Büro. Zwei Stunden lang hatte er sich mit Balmes auseinandersetzen müssen, der noch größeren Einsatz bei den Ermittlungen verlangte, ohne sich allerdings zu fragen, wie das Team dies bewerkstelligen sollte. Bohrende Kopfschmerzen raubten Mistral fast den Verstand. Er wünschte sich nur noch das Eine: Aspirin einzunehmen und die Augen wenigstens für ein paar Minuten zu schließen. Den jungen Mann, der auf ihn wartete, nahm er kaum wahr. Er stapfte an ihm vorbei in sein Büro und schloss die Tür. Drinnen nahm er zwei Tabletten ein und spülte sie mit eisgekühlter Cola hinunter. Gerade wollte er sich setzen, als er das Klopfen an seiner Tür hörte. Verärgert öffnete er. Der junge Mann stand lächelnd vor

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