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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wort. Zwar hatte er lange darüber nachgedacht, doch er wusste nicht, wie er davon erzählen sollte, ohne dass Clara sich unnötige Sorgen machte.
    Zurück im Präsidium stürzte sich Mistral seufzend in die ungeliebten administrativen Arbeiten und verbrachte den ganzen Nachmittag damit. In den alten Gebäuden der Pariser Kriminalpolizei gab es keine Klimaanlagen. Zwar waren alle Büros mit Ventilatoren ausgestattet worden, doch die wirbelten nur heiße Luft durcheinander und wehten Papiere von den Schreibtischen.
    Auf der abendlichen Heimfahrt kam er zu der Erkenntnis, dass die einzig wirklich angenehmen Momente des Tages diejenigen gewesen waren, die er in seinem klimatisierten Auto mit guter Musik verbracht hatte. Zu Hause tat er so, als bemerke er Claras besorgten Blick nicht. Er nahm sie in die Arme und vergrub schweigend das Gesicht in ihrem Haar. »Alles in Ordnung«, sollte das bedeuten.
    »Ich habe auf dich gewartet, um die Kinder anzurufen. Sie haben bestimmt viel Spaß und vermissen uns überhaupt nicht.«
    »Wie ich meinen Vater kenne, fallen ihm ständig neue Möglichkeiten ein, die Jungs zu beschäftigen.«
    Die Kinder freuten sich über den Anruf ihrer Eltern. Clara ermahnte sie, brav zu sein. Schließlich wollte Mathieu – er war inzwischen zehn Jahre alt – noch einmal mit seinem Vater sprechen.
    »Opa hat uns das Werkzeug gezeigt, mit dem du früher Baumhäuser gebaut hast. In dem Kasten war dein altes Taschenmesser. Darf ich es haben? Ich möchte gern Stöcke schnitzen.«
    »Gib mir Opa noch einmal.«
    Ludovic sprach den Satz mit einer Härte aus, die Clara überraschte. Aufmerksam hörte sie zu, was ihr Mann seinem Vater zu sagen hatte.
    »Mathieu hat mir gerade erzählt, dass du ihnen mein Taschenmesser gezeigt hast. Gib ihnen das Messer auf gar keinen Fall in die Hand. Sie könnten sich verletzen. So etwas passiert nur allzu schnell, auch wenn man danebensteht. Und so eine Klinge kann Verheerungen anrichten.«
    Als er auflegte, spürte Ludovic Claras vorwurfsvollen Blick.
    »Du weißt doch, wie fix die Kerlchen sein können. Da nützt es nichts, wenn man noch so sehr aufpasst!«, rechtfertigte er sich.
    »Ich weiß«, meinte Clara versöhnlich, »aber du darfst deine Ängste nicht an deinem Vater und den Kindern auslassen.«
    Mistral ging nicht auf die Bemerkung seiner Frau ein, obwohl er sehr genau wusste, worauf sie anspielte.
    Der Mann fuhr langsam. Der Tag war anstrengend gewesen, und er fühlte sich erschöpft. Aus dem Radio drang die weiche Stimme von Paolo Conte. Dann löste die sinnliche, leicht scherzende Stimme der Moderatorin den Gesang des italienischen Crooners ab. Sie redete über das Wetter. »Ganz schön heiß heute wieder, nicht wahr? Viele Leute haben die aufgeschütteten Sandstrände am Seine-Ufer aufgesucht, wo es sich fast wie in der Südsee anfühlt. Denken Sie auf jeden Fall daran, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen und sich vor zu viel Sonne zu schützen. Die Hitzewelle ist noch nicht vorbei. Morgen bleibt das Wetter wie gehabt – Sie werden Strohhut und Sonnenbrille weiterhin brauchen. Bitte weitersagen.«
    Der Mann war fast zu Hause angekommen. Er hörte den Sender noch immer und dachte nach. Plötzlich entschloss er sich, hielt an, betrat eine Kneipe und folgte den Hinweisen zum öffentlichen Telefon. Er wählte die Nummer des Senders FIP, die er auswendig kannte. Sein Handy benutzte er vorsichtshalber nicht – er schaltete es fast nie ein.
    »Guten Abend«, meldete er sich. »Ich höre Ihren Sender täglich und möchte gern mit der Moderatorin der laufenden Sendung sprechen.«
    »Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Abend«, sagte eine höfliche Frauenstimme. »Es tut mir leid, aber ich kann Ihrer Bitte unmöglich nachkommen. Wir dürfen die Moderatoren während der Arbeit nicht stören.«
    »Ich könnte später noch einmal anrufen.«
    »Es geht nicht, Monsieur. Wir dürfen grundsätzlich keine Gespräche zu den Moderatoren durchstellen. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Auf Wiederhören.«
    Das Freizeichen ertönte. Der Mann spürte, wie er zornig wurde. Er stieg dir Treppe zur Kneipe hinauf, nahm seine Tegretol und spülte sie mit zwei großen Bier hinunter.
    Als er schließlich seine Wohnung betrat, war es dort so heiß, dass er keine Ruhe fand. Eine kalte Dusche schaffte nur vorübergehend Erleichterung. Kurz darauf saß er wieder im Auto und fuhr langsam und mit weit offenen Fenstern aufs Geratewohl durch die Straßen. Mitternacht war längst

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