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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Scheibe Schinken klebte auf zerlaufener Butter und war mit vertrockneten Gürkchen belegt. Der Kellner brachte ihm eine Schale Erdnüsse, die der Mann jedoch nicht anrührte.
    Mit aufgestützten Ellbogen ließ er nach dem dritten Bier den Blick über den Tresen gleiten. Die Einrichtung entsprach dem Stil der 1970er Jahre: geometrische Muster in Orange und Braun und ein paar blinde, fleckige Spiegel, die die Einsamkeit der Gäste reflektierten. Als das vierte Bier kam, bemerkte der Mann die rötlichen Finger und die schmutzigen Fingernägel des Kellners. Bei diesem Anblick musste er einen Würgereflex unterdrücken. Sorgfältig wischte er den Rand des Glases ab, ehe er es an die Lippen setzte. Mit den Gläsern fünf bis acht verfuhr er ebenso.
    Nach dem vielen Bier musste er zur Toilette. Die Treppe nach unten befand sich unmittelbar neben dem Tresen. Hinter der Bar lag ein großer Schäferhund, der in seinen besseren Zeiten einmal ein imposantes Tier gewesen sein musste, aber jetzt den ganzen Tag auf dem mit Sägemehl bestreuten Boden lag und neben seinem Wassernapf schlief. Der Ammoniakgeruch der nicht sehr gepflegten Toiletten schnürte dem Mann die Kehle zu. Die Urinale, in denen aufgeweichte Zigarettenkippen im permanenten Wasserstrahl dümpelten, stießen ihn ab. Der viele Schmutz und die starken Gerüche, die sich zu dem Geruch des Todes gesellten, von dem der Mann ganz durchdrungen war, ließen ihn schwindeln. Ohne sich erleichtert zu haben, ging er langsam wieder nach oben. Vor dem Telefon mit seinen zerrupften, verknitterten Telefonbüchern blieb er kurz stehen und überlegte, ob er es noch einmal bei FIP versuchen sollte. Doch er ließ die Idee schnell wieder fallen. Falls man ihn tatsächlich zu einer der Moderatorinnen durchstellen sollte, wäre er wahrscheinlich nicht in der Lage, mit ihr zu sprechen. Und dass man ihn wieder abweisen könnte – daran mochte er gar nicht erst denken.
    Er hatte noch keine Lust aufzubrechen, setzte sich schwerfällig wieder an den Tisch und trank Bier Nummer neun und zehn. Danach legte er zwei gefaltete Zwanzig-Euro-Scheine unter sein leeres Glas und verließ die Bar unsicheren Schrittes. Er setzte sich ans Steuer, obwohl er wusste, dass er betrunken war. Vorsichtig fuhr er nach Hause. In der Rue de Budapest war an diesem Abend kein Parkplatz zu finden. Nachdem er mehrfach erfolglos durch sein Viertel gekurvt war, fand er schließlich einen abgelegenen Parkplatz, mehrere Hundert Meter von seiner Haustür entfernt. Umständlich und mit schweren Augenlidern stieg er aus dem Auto. Er konnte nicht mehr besonders klar denken. Der Kopfschmerz lauerte immer noch, brach aber noch nicht aus. Der Mann ging los. Immer wieder stützte er sich an parkenden Autos ab. Doch das Wichtigste war jetzt erst einmal, die Blase zu entleeren. Er hatte sich so lange zurückgehalten, dass es richtig schmerzte. Die Straße war dunkel. Er duckte sich zwischen zwei Lieferwagen und erleichterte sich lange und ausgiebig. Ein Auto fuhr langsam vorbei. Der Mann hörte, wie es zehn Meter weiter stehen blieb und den Rückwärtsgang einlegte. Blaulicht zuckte über die Häuserfassaden. Der Mann begriff sofort. Er richtete sich auf, ließ den Rucksack von den Schultern gleiten und schob ihn vorsichtig mit dem Fuß unter ein Auto.
    Wagentüren wurden zugeschlagen. Eine laute Stimme rief ihn an.
    »Drehen Sie sich bitte langsam um, Monsieur. Personenkontrolle.«
    Eine Taschenlampe blendete ihn. Langsam ging der Mann auf das Licht zu. Er hob die Hände zwischen das Licht und seine Augen.
    »Personalausweis bitte.«
    Der Mann zeigte seinen Ausweis vor. Dabei lehnte er sich an einen der Lieferwagen, um seine Trunkenheit zu verbergen. Der Polizist richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Personalausweis, ein anderer tastete den Mann ab. Der ließ es geschehen und überlegte, wo er seinen Polizeiausweis hingesteckt hatte. Ein Polizist darf nicht trinken, nicht einmal, um etwas zu feiern , dachte er.
    »Es ist verboten, auf der Straße zu urinieren. Sie haben eine Ordnungswidrigkeit begangen und müssen mit uns auf die Wache kommen.«
    »Ich weiß«, stammelte der Mann. »Ich verstehe selbst nicht, wie ich so etwas tun konnte. Es ist wirklich das erste Mal.«
    Das Funkgerät des einen Polizisten krächzte.
    »Okay, wir sind unterwegs«, antwortete er.
    Die Polizisten sprachen leise miteinander.
    »Die Zentrale sagt, wir sollen zurückkommen. Lass den Kerl laufen. Er hat doch nur auf die Straße gepisst. Wir

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