Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
vornehmen und dann versuchen, den Kerl festzunageln.«
»Haben sie auch die Nummer?«
»Der Typ meldet sich grundsätzlich aus öffentlichen Telefonzellen, und zwar niemals aus derselben. Am Montag wissen wir mehr.«
Während Mistral auf die Rückkehr der Teams wartete, rief er seine Kinder an. Doch zuvor führte er ein langes Gespräch mit seinem Vater.
»Nein, ich lasse deine Jungs nicht mit dem Taschenmesser spielen, und auf Bäume dürfen sie auch nicht klettern. Ja, sie tragen draußen eine Kopfbedeckung, trinken viel Wasser, bleiben im Schatten und rennen nicht in der Sonne herum.«
Mistral spürte die Ironie in der Stimme seines Vaters.
»Sagst du das nur, um mich zu beruhigen?«
»Ludovic, deine Söhne tun genau das, was du in diesem Alter getan hast. Sie setzen ihre Kappen ab, wenn sie keine Lust mehr darauf haben. Sobald wir ihnen den Rücken kehren, klettern sie auf die Bäume, bleiben nicht im Schatten und rennen den ganzen Tag lang draußen herum. Das Messer habe ich allerdings versteckt. Stattdessen haben sie sich Pfeile und Bogen gemacht – keine Ahnung, wie – und sich in den Kopf gesetzt, Vögel zu jagen. Die Pfeile haben glücklicherweise nur eine Reichweite von höchstens zwei Metern. Also müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Vögel übrigens auch nicht. Die Bengel schlafen prima.«
Ludovic hört seinem Vater lächelnd zu.
»Ich habe gestern noch einmal Nachtflug gelesen.«
»Deine Jungs sind genau wie du, Ludo. Du solltest versuchen, sie bis ans Ende ihrer Träume zu begleiten, wenn sie so weit sind. Ich verspreche dir, es wird dich glücklich machen.«
Anschließend sprach Ludovic mit seinen Söhnen und ermahnte sie zur Vorsicht. Doch er wusste genau, dass die Kinder ihm nicht zuhörten und eigentlich nur schnell wieder zu ihren Spielen zurückkehren wollten.
Schließlich rief er Clara an, um ihr zu sagen, dass es vermutlich spät würde und dass sie nicht mit dem Abendbrot auf ihn zu warten brauche.
»Wir könnten auch zusammen essen gehen«, schlug sie vor. »Ich komme dich gegen zehn abholen, und wir gehen irgendwohin, wo es dir gefällt.«
Mistral wunderte sich nicht über Claras Idee; im Gegenteil, er hatte fast so etwas erwartet. Sie verfolgte ihren Weg, und sie wollte mit ihm sprechen.
»Weißt du, wir haben den nächsten Mord am Hals. Mein Anzug stinkt nach Tod. So kann ich nicht ausgehen – das ist unzumutbar.«
»Aber das bildest du dir bloß ein. Deine Kleider riechen nach gar nichts. Der Verwesungsgeruch ist in deiner Nase und in deinem Kopf, sonst nirgends. Da hilft es auch nichts, wenn du dich umziehst.«
Als Mistral einige Zeit später die Berichte über die Leichen von Élise Norman und Chantal Colomar studierte, riss ihn das Klingeln des Telefons aus seiner Konzentration. Dalmate teilte ihm mit, dass die Anhörung der Feuerwehrleute beendet war und dass der Zugführer ihn erwarte. Die beiden Männer wechselten ein paar Worte über den Tod, die Hitzewelle und die ständigen Einsätze, die den Feuerwehrleuten immer mehr zu schaffen machten. Beim Abschied musste Mistral sich zusammenreißen, um nicht zu sagen: »Dann also bis Sonntag.«
Mistral ging weiter in Dalmates Büro, wo sich bereits Calderone und einige andere Beamte eingefunden hatten.
»Wir haben auf Sie gewartet, um die Aufzeichnung anzuhören.«
José Farias drückte den Abspielknopf.
»Guten Tag. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass eine gute Bekannte von mir, Madame Chantal Colomar, nicht mehr auf Anrufe reagiert. Als ich bei ihrer Arbeitsstelle anrief, teilte man mir mit, sie fehle seit zwei Tagen, habe sich jedoch nicht gemeldet. Ich mache mir Sorgen, denn normalerweise sollte sie zu Hause sein. Sie wohnt Ecke Rue de Seine und Rue des Beaux-Arts.«
Der Beamte betätigte die Stopp-Taste.
»Nach Angabe der Feuerwehrleute kam der Anruf aus einer Telefonzelle am Boulevard Edgar Quinet. Ich habe France Telecom um eine Auflistung der Anrufe von dort während der zwölf Stunden vor und nach dem Telefonat gebeten.«
Calderone nickte.
»José, leg doch bitte noch mal die Aufzeichnung ein, mit der wir über Élise Norman informiert wurden.«
Der junge Mann wechselte die CD.
»Guten Tag. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass eine gute Bekannte von mir, Madame Élise Norman, nicht mehr auf Anrufe reagiert. Als ich bei ihrer Arbeitsstelle anrief, teilte man mir mit, sie fehle seit zwei Tagen, habe sich jedoch nicht gemeldet. Ich mache mir Sorgen, denn normalerweise sollte sie zu Hause sein. Ihre Adresse
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