Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
leuchtende Spur, die sich von der Mitte des Wohnzimmers bis zu der Stelle zog, wo Chantal Colomars Gesicht gelegen hatte.
»Sehen Sie, diese Spuren hier wurden fortgewischt, die anderen aber nicht. Das ist ziemlich unverständlich. Immerhin scheint es sich um ein und dasselbe Blut zu handeln. Irgendetwas stimmt hier nicht. Wir haben in der Küche den Schwamm gefunden, mit dem das Blut weggewischt wurde. Er war gut ausgespült – mit bloßem Auge hätten wir nichts entdeckt.«
Der Techniker zeigte Mistral einen Schwamm in einer durchsichtigen Tüte, von dem ein schwaches blaues Leuchten ausging.
»Ich muss zugeben, dass ich das auch nicht verstehe«, gestand Mistral, während er den Experten dabei zusah, wie sie die durch Blue Star enthüllten Spuren fotografierten.
9
A M GLEICHEN T AG
Balmes servierte Mistral ein eisgekühltes Bier, nachdem dieser dem stellvertretenden Direktionsleiter einen detaillierten Bericht über den Fall Colomar gegeben hatte.
»Kannst du schon etwas dazu sagen?«, wollte Balmes wissen.
»Ich bin sicher, es gibt ein Riesendurcheinander, wenn die Berichte aus Pontoise kommen. Wir haben hier einen Täter, der seine Morde auf haargenau die gleiche Weise ausführt, seine Verbrechen im gleichen Zeitabstand begeht und mysteriöse Texte am Tatort zurücklässt. Ich wundere mich über gar nichts mehr. Jede Wette, dass wir am Sonntag den nächsten Mord am Hals haben!«
»Hast du schon jemanden nach Pontoise geschickt?«
»Ja, gleich heute Morgen. Heute Abend dürften wir mehr über die Ermittlungsarbeit der Kollegen wissen.«
»Kannst du dir vorstellen, warum beide Morde im gleichen Arrondissement begangen wurden?«
»Nein, bisher tappen wir noch völlig im Dunkeln. Falls es eine Verbindung zwischen den beiden Opfern gibt, haben wir sie noch nicht finden können. Vielleicht wohnt oder arbeitet der Täter im 6. Arrondissement. Keine Ahnung. Kann natürlich auch sein, dass er einfach nur in der Gegend war. Am meisten allerdings beunruhigt mich seine Vorgehensweise. Diese Spiegelscherben, die in Gesicht und Hals stecken – so etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Du hast eben etwas von Sonntag gesagt. Wie kommst du darauf?«
»Wenn wir unsere Fälle mit denen im Département Oise vergleichen und der Täter tatsächlich im gleichen Intervall mordet, dann sind wir Sonntag wieder dran. Das bedeutet allerdings auch, dass jetzt schon irgendwo eine tote Frau liegt, denn der Mörder ruft immer erst zwei Tage später an. Kannst du dir vorstellen, wie viel Angst das auslöst, wenn es bekannt wird? Wenn er eine dritte Frau umbringt, heißt das für die Leute, dass wir unfähig waren, einen Mord zu verhindern. Ich kann mir die Kommentare in der Presse schon genau vorstellen: Polizei wusste von geplantem Mord, hat ihn aber nicht vereitelt.«
»Mist! Aber du kannst nichts dafür, also lass dir nicht ans Bein pinkeln. Und wenn es wieder im 6. Arrondissement passiert? Hast du schon darüber nachgedacht?«
»Natürlich. Ganz klar, ich lasse zwei Wochen lang jede Nacht unsere Jungs patrouillieren, und zwar im kompletten Bezirk und in der Umgebung der Wohnorte der beiden Opfer. Manchmal trifft man auf Leute, die sich nur zu bestimmten Zeiten draußen aufhalten und uns bei den Befragungen in der Nachbarschaft durch die Lappen gehen.«
»Gute Idee. Die Presse kümmert sich im Augenblick mehr um die Hitzetoten und versucht die genaue Anzahl herauszufinden. Die Polemik wächst. Gut für uns, dass der Fokus nicht auf uns gerichtet ist. Sollten wir vielleicht auch die Schutzpolizei bitten, verstärkt Streife zu gehen?«
»Lieber nicht. Wir müssten ihnen den Grund dafür erklären, und ich kann im Augenblick noch nicht viel dazu sagen. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie der Verdächtige aussieht. Gibt es sonst noch etwas für uns?«
»Nichts Besonderes. Allerdings wurde uns ein eher witziger Vorfall gemeldet. Irgendein Bekloppter ruft seit einer Woche ständig bei Radio FIP an. Er hat es bestimmt schon fünfzig Mal versucht.«
»Und was will er?«
»Mit einer Moderatorin sprechen. So etwas passiert natürlich öfter, aber normalerweise ruft jemand, den man einmal abgewimmelt hat, nicht mehr an. Aber der Kerl scheint ganz schön hartnäckig zu sein. Vielleicht ist ihm die Hitze zu Kopf gestiegen.«
»Gibt es Aufzeichnungen?«
»Morgen will die Direktorin mit uns reden. Angeblich hat die Telefonzentrale alle Gespräche aufgezeichnet und auf eine CD gebrannt. Wir werden zunächst eine Stimmenanalyse
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