Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
des Films In the Mood for Love lief. Lächelnd blickte Mistral Clara an. Sie hatten den Film beide sehr anrührend gefunden. Clara lächelte zurück und legte sanft ihre Hand auf den Nacken ihres Mannes. Manchmal mochte Ludovic diese langsame Musik mit ihrer Mischung aus Nostalgie und Traurigkeit.
Trotz der Ferienzeit war es schwierig, einen Parkplatz zu finden. Nachdem Mistral vergeblich mehrere Runden durch das Viertel gedreht hatte, parkte er den Wagen schließlich halb auf dem Gehsteig.
»Im Sommer gibt es weniger Knöllchen«, grinste er.
Beim Aussteigen aus dem klimatisierten Auto schlug ihnen die Hitze mit voller Wucht entgegen.
Wieder einmal fuhren sie mit dem Wagen durch das 6. Arrondissement. Der Mann saß auf dem Beifahrersitz und döste. Er fühlte sich erschöpft, denn er hatte schlecht geschlafen und die ganze Nacht hindurch wild geträumt. »An Träume erinnert man sich nur unmittelbar danach; wird man von einem Albtraum geweckt, bleibt er den ganzen Tag über präsent.« Er wusste nicht mehr, wo er diesen Satz gelesen hatte, aber dass er wahr war, hatte er allzu oft am eigenen Leib erfahren.
Natürlich hatte er die nächtlichen Albträume seinem Heft anvertraut. Er konnte nicht umhin, immer wieder an seinen Rucksack mit den tödlichen Beweisstücken im Innern zu denken – am schlimmsten waren die beiden Telefone. Die ganze Nacht hindurch waren seine Träume um dem verschwundenen Rucksack gekreist. »Leute, die ich nicht kenne, quälen mich mit Spiegelsplittern. Ich kann fliehen, die Hand an der Kehle.« Diesen Satz hatte der Mann statt eines Kommentars seines Traums in sein Heft notiert.
Im Auto war es still. Auch die drei Kollegen des Mannes hingen ihren Gedanken nach. Umso besser, denn so war er nicht gezwungen, sich an ihren Gesprächen zu beteiligen, in denen es gewöhnlich um das Fernsehprogramm, Spielertransfers bei Fußballvereinen oder Weibergeschichten ging. Dank der Klimaanlage des Autos hatte niemand wirklich Lust, den Wagen zu verlassen. Sie hatten gerade einen Einsatz hinter sich und waren irgendwie müde. Der Mann hielt die Arme verschränkt; er hatte sich mehrfach die Hände gewaschen und aufgepasst, mit niemandem in Berührung zu kommen – vor allen Dingen nicht mit seinen Kollegen.
Gott sei Dank, dass es hier eine Klimaanlage gibt. Trotzdem stinken die Kerle wie die Biber. Irgendwie erinnert der Geruch an Zwiebeln. Ekelhaft!
Das Autoradio spielte leise. Der Mann hatte es auf FIP eingestellt. Als er ein bestimmtes Stück wiedererkannte, das er gern hörte, drehte er die Lautstärke höher.
»Nicht übel. Was ist das? Du hast doch Ahnung von Musik, du kennst es sicher, oder?«
Der Chauffeur hatte mit dem Mann gesprochen, der langsam nickte.
»Ja. Es stammt aus dem Film Arizona Dream «, antwortete der Mann.
»Und wie heißt es?«
» In the Death Car von Iggy Pop.
»Und was soll das heißen?«
» Im Todesauto oder so.«
Der Fahrer und die beiden Typen im Fond des Wagens prusteten los.
»Wie kommt nur jemand auf derart blödsinnige Titel?«
»Zum Totlachen«, erwiderte der Mann ernst.
»Wenn nur schon endlich Sonntag wäre«, seufzte einer der hinten sitzenden Männer. »Ich habe noch nie eine so hektische Woche mit so vielen Einsätzen erlebt. Scheiß-Hitzewelle! Na ja, wir können nun mal nichts dagegen tun!«
»Es ist 10.45 Uhr. Sie hören FIP in Paris auf der Frequenz 105,1. Nur noch ein bisschen Geduld, liebe Hörerinnen und Hörer. Wie es aussieht, soll die Hitze in einigen Tagen nachlassen. Trinken Sie viel, halten Sie sich im Schatten auf, und bleiben Sie bei uns.«
»Mann, die Mädels haben wirklich Stimmen, die einem weiche Knie machen«, knurrte der Fahrer. »Die jetzt eben stelle ich mir mit braunen Haaren und blauen Augen vor. Ich würde mich gerne mal ganz allein mit ihr unterhalten. Sie hat eine so sehnsüchtige Stimme, dass ich ganz sicher bin ...«
Dem Fahrer blieb keine Zeit, den Satz zu vollenden. Der Mann explodierte geradezu vor Wut.
»Ach ja? Gar nichts würdest du ihr sagen. Solche Mädchen sprechen nämlich nicht mit so blöden Typen wie dir. Kapiert? Woher willst du überhaupt wissen, ob sie braun oder blond oder was weiß ich wie ist? Hast du ihre Stimme nicht gehört? Sie ist traurig. Normalerweise hört man es, wenn jemand ein Lächeln in der Stimme hat. Bei ihr aber nicht. Und jetzt verschone uns mit deinen dämlichen Bemerkungen!«
Überrascht wechselten die drei Kollegen einen Blick. Der Fahrer versuchte den Mann neben ihm, der ihm
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