Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
leid, dass ich gestern nicht hier war«, entschuldigte sich Dalmate. »Vincent hat mich bereits informiert. Unglaublich. Unfassbar. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Diese Morde sind die Taten eines Barbaren, eines Monsters. Das hat nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun ...«
Dalmate sprach leise und schien so betroffen, dass Mistral und Calderone überrascht aufhorchten. Mistral reagierte aufgebracht.
»Hören Sie, Paul«, fauchte er, »Sie sind zur Kripo gekommen, um an der Aufklärung von Morden mitzuarbeiten. Zumindest haben Sie das zu Vincent gesagt. Klar?«
»Ja, aber ...«
»Tut mir leid, aber hier ist kein Platz für ›Ja, aber‹. Wir suchen weder freundliche noch bösartige Mörder. Kapiert? Unsere Teams haben keine Wahl zwischen schrecklich und erträglich. Alle Morde sind grundsätzlich schändlich und unerträglich. Haben Sie das verstanden?«
»Ich verstehe sehr gut, aber diese drei ...«
»Was ist mit diesen drei? Da gibt es nichts zu verstehen. Drei Frauen sind von einem Kerl ermordet, mit Spiegelscherben gespickt und anschließend vergewaltigt worden. Es ist ganz einfach. Und entweder. Sie machen sich mit Ihrem Team jetzt sofort an die Arbeit, oder Sie verlassen die Kripo und gehen dahin zurück, wo Sie hergekommen sind. Wir haben hier keine Zeit für seelische Befindlichkeiten.«
Mistral warf seinen noch halb vollen Kaffeebecher in den Müll, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten. Calderone war nicht weiter überrascht.
In seinem Büro fand Mistral eine mit einer Schleife geschmückte Schachtel auf dem Schreibtisch vor. Sie enthielt feinste Schokolade. Lächelnd drückte er einen Knopf an seinem Telefon.
»Sie sind also wieder da? Ich hatte vergessen, dass Ihr Urlaub heute zu Ende ist. Können Sie bitte kommen?«
Nur Minuten später betrat Mistrals Sekretärin das Büro.
»Vielen Dank für die Schokolade, Colette. Sie wissen ja, wie gerne ich Süßes esse.«
»Jeder mag Schokolade. Und außerdem soll es gut für die Gemütsverfassung sein. Das sage ich mir jedenfalls immer, um meine Gewissensbisse zu beruhigen, wenn ich mal wieder abzunehmen versuche und trotzdem Schokolade esse. Kaum zu glauben, dass Sie im Süden waren! Sie sehen ausgesprochen schlecht aus. Vielleicht sollten Sie sich ein wenig ausruhen.«
»Keine Sorge. Und wie war Ihr Urlaub? Hatten Sie und Ihre Familie Spaß?«
»Na ja. Wir hatten auf einem Campingplatz einer Trailer gemietet. Leider lag der Platz genau gegenüber einer Go-Kart-Bahn, was wir vorher nicht wussten. Tagsüber herrschte ein Heidenlärm, aber die Kinder fanden es klasse. Und nachts konnten wir ganz gut schlafen. Abgesehen davon habe ich gehört, dass Sie drei schreckliche Morde übernommen haben. Die armen Frauen!«
»Das ist wahr. Eine grauenhafte Geschichte. Ach übrigens, mit den Mitarbeitergesprächen bin ich fast durch, und ich habe mich auch durch das Budget gewühlt – all diese Dinge, die ich so liebe! Ich habe alles mit Bleistift geschrieben. Sie müssten es bitte in die entsprechende Form bringen, ehe ich unterschreibe.«
Als Colette das Büro verließ, kam ihr der stellvertretende Direktor entgegen. Balmes, der wie üblich in Höchstform und gut gelaunt war, stürmte in einer Wolke aus Aftershave in Mistrals Büro.
»Mensch, du siehst ja nicht gerade toll aus. Schläfst du genug?«
»Klar, wie ein Baby. Wie komme ich zu der Ehre deines Besuchs?«
»Ich will mit dir über die Mordserie reden. Komm, wir gehen irgendwo einen Kaffee trinken. Der hier ist so miserabel, dass ich mich manchmal frage, wie du ihn runterkriegst.«
»Du hast vollkommen recht. Aber inzwischen bin ich dran gewöhnt, und außerdem brauche ich nicht weit zu laufen.«
Die beiden Männer gingen in ein nahe gelegenes Café.
»Lass uns nicht am Tresen stehen bleiben. Im Sitzen diskutiert es sich leichter. Hast Du heute Morgen schon einen Blick in die Zeitungen geworfen?«
»Nein, dazu war noch keine Zeit. Sind unsere drei Morde drin?«
»Noch nicht. Die Schlagzeilen drehen sich hauptsächlich um die Hitzewelle. Und die Journalisten nehmen kein Blatt vor den Mund. Der Figaro titelt heute ›Der Hitzetod sucht Frankreich heim‹, und im Parisien heißt es: ›Die Hitzewelle wird zum Drama.‹ Du verstehst, was ich meine? Eigentlich will ich damit nur sagen, dass wir mit den drei Morden noch nicht unbedingt gleich an die Öffentlichkeit gehen müssen. Umso mehr Ruhe hast du bei der Arbeit.«
»Umso besser. Im Augenblick
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