Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
lächelte.
»Ich wusste, dass Sie auf diese Info reagieren würden!«
»Das war ja nun nicht schwer zu erraten! Ich kann mir schon lebhaft ausmalen, was Balmes dazu sagen wird. Irgendetwas in der Art wie: ›Jetzt stehst du also mitten in der Arena, und die Löwen sind los. Renn um dein Leben, wenn du nicht gefressen werden willst.‹«
Beide mussten lachen.
Die Sekretärin hatte zwei gelbe Post-its auf Mistrals Schreibtisch geklebt. Auf dem ersten befand sich eine Nachricht von den beiden jungen Frauen des Teams. »Fahrerflucht Motorradunfall Sébastien Morin: Fortschritte zu verzeichnen!« Auf dem zweiten stand: »Laborchef erbittet Rückruf.«
Mistral wählte die Nummer von Ingrid Sainte-Roses Mobiltelefon.
»Wir wissen jetzt, welche Automarke in den Unfall mit Sébastien verwickelt war«, berichtete Ingrid voller Optimismus. »Es handelt sich um einen Chrysler Voyager, Modell 2001 in Grün-metallic. Durch die Scherben des Scheinwerfers sind wir fündig geworden. Die Jungs von der Spurensicherung haben sich zu fünft bemüht, ihn wieder zusammenzusetzen. Das war wohl schwieriger als ein Puzzle mit zehntausend Teilen. Aber es hat etwas gebracht.«
»Und wie habt ihr die Farbe herausgekriegt?«
»Auf dem hinteren Schutzblech und dem Nummernschild von Sébastiens Bike waren Lackspuren. Der Typ hat ihn mit dem vorderen rechten Kotflügel erwischt. Der Scheinwerfer ging zu Bruch, und der Kotflügel hat die Farbspuren hinterlassen.«
»Bravo! Und wie geht es jetzt weiter?«
»Wir untersuchen die Bilder der Überwachungskameras, und zwar ausgehend von der Kreuzung am Boulevard Saint-Germain auf Höhe des Institut du Monde Arabe bis zur Place de la Bastille. Anschließend kommen die Kameras an die Reihe, die über den von der Place de la Bastille ausgehenden Boulevards installiert sind. Außerdem fragen wir bei allen Chryslerhändlern in Paris und Umgebung nach, ob sie einen rechten Vorderscheinwerfer verkauft haben, und wenn ja, an wen.«
»Wie kommt ihr mit der Verkehrspolizei klar?«
»Bestens. Keiner macht sich Gedanken um Überstunden. Alle sind wild entschlossen, den Kerl zu erwischen.«
»Ich rufe den Chef an und bedanke mich bei ihm. Haben Sie etwas von Sébastien gehört?«
»Ja, dem geht es für seinen Zustand ganz hervorragend. Er hängt den ganzen Tag und auch manchmal nachts mit seinem Computer herum – ist also schon wieder ganz der Alte. Außerdem freut er sich, weil er weiß, dass wir hinter dem Unfallfahrer her sind, und weil sich die Krankenschwestern ganz besonders nett um ihn kümmern.«
Im Verlauf des Gesprächs kam Mistrals Sekretärin mit einem weiteren Post-it. »Bitte mit Calderone zu Balmes, sobald Telefonat beendet.«
Auf Balmes’ Schreibtisch lag der Parisien- Artikel über die drei Morde. Mistral und Calderone vermieden es, sich anzusehen, um nicht wieder lachen zu müssen. Der stellvertretende Direktionsleiter musste an sich halten, um nicht zu explodieren.
»Das Innenministerium hat mich bereits angerufen und nachgefragt«, polterte er los. Trotz geschlossener Türen war seine Stimme noch im Vorzimmer deutlich zu hören. »Ich habe geantwortet, dass es noch viel zu früh ist, die beiden Serien miteinander in Verbindung zu bringen, und dass es noch keine stichhaltigen Beweise gäbe. Natürlich hat der Kerl mir Dampf unter dem Hintern gemacht und mir erklärt, wie wichtig Ergebnisse für den Minister seien; das übliche bla-bla-bla. Aber der Minister kümmert sich einen feuchten Kehricht um den Fall. Er ist in Urlaub und überlässt es seinem Kollegen vom Ressort Gesundheit, sich mit den Hitzetoten herumzuschlagen.«
Balmes schnappte nach Luft.
»Es ist immer das Gleiche mit den Sesselpupsern«, warf Mistral scheinbar beiläufig ein. »Sie haben nicht die geringste Ahnung, hocken in ihren Büros und bemühen sich, Angst und Schrecken zu verbreiten. Einmal ist es der Minister, ein anderes Mal der Präfekt. Und obendrein glauben sie, dass es funktioniert.«
Balmes ging sofort wieder hoch. Er war leicht auf die Palme zu bringen, beruhigte sich aber ebenso schnell wieder. Sein Jähzorn war sprichwörtlich, und die Dezernatsleiter machten sich manchmal einen Sport daraus, ein Thema zu finden, das den stellvertretenden Direktionsleiter in Rage brachte. Mistral hatte den richtigen Ton getroffen.
»Genau das!«, brüllte Balmes. »Wenn etwas schiefgeht, sind wir schuld, wenn es aber klappt, kassieren die Bonzen das ganze Lob ein, weil sie dich angeblich motiviert haben. Weißt
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