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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dann auch noch am Schlafen gehindert werden – klar, dass sie irgendwann aufmucken.«
    Unmittelbar nach seiner Ankunft im Büro rief der Untersuchungsrichter Nicolas Tarnos das Gefängnis an, in dem Jean-Pierre Brial einsaß.
    Mit dem Direktor verband ihn eine lange berufliche Zusammenarbeit. Nachdem die beiden einige Worte über die Hitze und ihre Folgen in den überfüllten Gefängnissen gewechselt hatten, kam Tarnos auf Brial zu sprechen.
    »Brial war gestern in meinem Büro. Mir scheint, dass er seit letztem Monat ziemlich zugenommen hat. Haben Sie etwa seit Neuestem eine Drei-Sterne-Kantine oder einen neuen Koch?«
    »Weder noch«, antwortete der Gefängnisdirektor lachend. »Aber wie Sie sehr richtig bemerkt haben: Brial hat ganz schön zugelegt. Er liegt im Prinzip den ganzen Tag nur auf seiner Pritsche herum, treibt keinerlei Sport und schaufelt ununterbrochen Süßigkeiten, Brot und Softdrinks in sich hinein.«
    »Merkwürdig. Leidet er unter einer Depression?«
    »Eigentlich nicht. Ihn scheint irgendwie nichts wirklich zu berühren. Das Einzige, was er gern zu tun scheint, ist Schreiben. Der auf seiner Etage zuständige Wärter hat erzählt, dass Brial seine Träume akribisch niederschreibt und selbst analysiert. Er konnte einen Blick in die Hefte werfen, als Brial einmal nicht in der Zelle war.«
    »Mal was anderes. War es wenigstens interessant?«
    »Ich habe eines der Hefte flüchtig durchgeschaut und war ziemlich überrascht. Der Inhalt ist gut, mit schöner Schrift und in einem flüssigen Stil geschrieben. Brial denkt über seine Träume und seine Kindheit nach. Allerdings findet sich nichts zu den Morden, derentwegen er einsitzt.«
    »Das wäre auch zu schön gewesen. Glauben Sie, er weiß, dass Sie in seinen Heften gelesen haben?«
    »Mit Sicherheit. Dem ersten Eindruck nach wirkt er eher unbeteiligt und nicht besonders helle, aber ich habe ihn schon mehrmals bei Blicken ertappt, die das genaue Gegenteil aussagen. Ziemlich irritierend, wenn man darüber nachdenkt.«
    »In der Tat. Und es passt auch nicht zu jemandem, der sich uns gegenüber als reiner Handarbeiter präsentiert. Ich gehe jede Wette ein, dass er ein Musterhäftling ist, der alle Regeln genauestens befolgt.«
    »Wenn sich alle so verhielten wie er, wäre die Arbeit im Gefängnis das reinste Zuckerlecken.«
    »Aber wie viel davon ist schöner Schein? Wie mag der Kerl sich betragen, wenn er wieder frei herumläuft? Darüber mache ich mir Sorgen!«
    Gegen acht Uhr morgens erschien Mistral schlecht gelaunt in seinem Büro. Kaum dass er ein paar Worte mit seiner Frau gewechselt hatte. Sie hatte es vermieden, ihn auf seinen körperlichen Zustand anzusprechen. Mistral schaffte es einfach nicht, gegen die Schlaflosigkeit anzukämpfen, die ihm zunehmend zu schaffen machte. Die durchwachten Nächte wurden allmählich zur Regel.
    Calderone war, wie üblich, bereits um sieben an seinem Arbeitsplatz erschienen. Er stand jeden Morgen um halb sechs auf – auch im Urlaub. Ehe er eine Stunde später zur Arbeit aufbrach, fütterte er die Katze und stellte ihr eine Schale frisches Wasser hin. Seine Frau stand auf, wenn er das Haus verließ. Im Büro fütterte Calderone als Erstes seinen Goldfisch. Vorsichtig klopfte er gegen das Aquarium und verteilte ein paar Mikrogramm eines schauderhaft riechenden Pulvers auf der Wasseroberfläche.
    Calderone sah sofort, in welchem Zustand Mistral sich befand, doch er sagte nichts. In stillschweigendem Einverständnis beschlossen die beiden Männer, ein Café in der Nähe der Place Saint-Michel aufzusuchen, weil der Kaffee aus dem Automaten bei der Kripo nur für Notfälle taugte.
    »Ich habe den Eindruck, dass es nicht mehr ganz so heiß ist«, stellte Calderone fest.
    »Stimmt. Umso besser. Was sagt die Presse heute Morgen zu diesem Thema?«
    Calderone nahm die schon ziemlich zerfledderte Ausgabe des Parisien vom Tresen und schlug sie auf.
    »Hier steht eine ganze Menge über die Hitze. Gestern ist ein Notfallplan in Kraft getreten. Das Gesundheitsministerium muss herbe Kritik wegen seines Umgangs mit der Krise einstecken. Ansonsten nichts Neues. Ach ja: ein Artikel über unsere drei ermordeten Frauen und den Anwalt von Brial, der Zeter und Mordio schreit, sein Mandant wäre Opfer eines Justizirrtums geworden. Sowohl die Justiz als auch die Polizei kriegen ihr Fett weg.«
    Als er Calderone derart beiläufig von ihren Fällen sprechen hörte, erwachte Mistral abrupt aus seiner Lethargie.
    »Wie bitte?«
    Calderone

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