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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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die Liegekuren hatten. Meine Mutter sagte, sie hätte nie vergessen, wie es dort roch. Nach Seife und nach Dampf.«
    Emilie räusperte sich. »Verrückt, wie viele Leute damals nach Beelitz kamen. Es war die größte Klinik für Lungenkranke in Europa, wusstest du das?« Sie nickte wichtig. »Normalerweise hatten die Frauen aus dem Waschhaus nicht viel Kontakt zu den Patientinnen und schon gar nicht zu den Patienten. War ja alles streng getrennt damals, das könnt ihr Jungspunde euch heute gar nicht mehr vorstellen.« Sie drehte sich um und trippelte zu einem Sessel hinüber, in den sie sich mit einem tiefen Seufzen fallen ließ. Dann deutete sie mit dem Zeigefinger auf das Foto. »Aber meine Mutter hat das nie gekümmert. Sie war immer lieber unter den einfachen Leuten. Außer bei ihrer Freundin, die auf dem Bild.« Sie runzelte die Stirn. »Von Rieckhofen hieß sie. Clara von Rieckhofen. Verarmter Adel, Gott hab sie selig, und dann auch noch so todkrank in jungen Jahren.« Sie strich ihren Rock glatt. »Luise, meine Mutter, war längst nicht so krank wie Clara. Vielleicht, weil sie sich nie etwas hat verbieten lassen.« Sie lachte. »Sie muss ein verrücktes Huhn gewesen sein und war damals nicht älter als 18. Das war lange, bevor sie meinen Vater traf und sich für ihn entschieden hat.« Sie lachte erneut auf und winkte dann ab. »Naja. Lange her.«
    Mein Blick glitt von Clara zu Emilies Mutter. Luise hatte einen Arm um Claras Taille gelegt und die Lebensfreude schien regelrecht aus ihr herauszusprühen. Im Gegensatz zu Clara sah man ihr die Schwindsucht tatsächlich nicht an. Dafür aber merkte man die Verbundenheit zwischen den beiden jungen Frauen. Und einmal mehr fragte ich mich, ob zwischen den Beiden mehr gewesen war. Manche von Claras Tagebucheinträgen ließen diese Vermutung zu. Doch immer wieder war auch die Rede von Viktor, ihrem Verlobten, zu dem sie wollte. Und zu Doktor Heinrich Ewald, der sie auf eine merkwürdige Art fasziniert haben musste. Niemals aber hatte sie sich klar zu Luise geäußert. Vielleicht war meine Vermutung falsch. Herausfinden würden wir es wohl ohnehin nie.
    Mein Blick blieb an einem Mann hängen, der etwas seitlich hinter den Mädchen stand. Er war groß und breitschultrig, trug einen wohlgestutzten Bart und einen eleganten Anzug mit Weste. Aus der Westentasche blitzte die Kette einer Taschenuhr hervor.
    Ich zog die Brauen zusammen. Irgendetwas an dem Gesicht des Mannes kam mir bekannt vor, doch ich konnte nicht sagen, warum. Ich hätte schwören können, ihn schon einmal gesehen zu haben. Vielleicht auf einer anderen Fotografie?
    »Und wer ist der Mann ganz links?«, fragte ich weiter, ohne den Blick von der verblichenen Fotografie zu lösen.
    »Ah«, sagte Emilie und gluckste leise. »Das Verhängnis aller Frauen … aber er war ja schon vergeben.« Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Sessellehnen auf und schob sich mit einem Ruck hoch. »Ein stattlicher Mann, nicht wahr?«, sagte sie, während sie wieder neben mich trat.
    Ich nickte. »Ja, kann man so sagen.«
    »Meine Mutter sagte, dass alle Frauen schwer in ihn verliebt waren. Die Patientinnen, die Mädchen vom Pflegepersonal, die Wäscherinnen, die Frauen aus der Küche, einfach alle.« Emilie lachte. »Aber es war natürlich unmöglich, etwas mit dem leitenden Chefarzt anzufangen. Außerdem war Heinrich Ewald verheiratet. Und seine Frau muss ein Biest gewesen sein, mit Argusaugen.« Sie zuckte mit den schmalen Schultern. »Er war eben ein begehrter Mann.«
    Ich glaubte, mich verhört zu haben. »Moment mal. Das ist Heinrich Ewald? Der Arzt?«
    Emilie musterte mich erstaunt. »Du kennst ihn?«
    »Ich habe … von ihm gehört««, antwortete ich schnell.
    Emilie blinzelte. »Und in welchem Zusammenhang?«
    Unter ihrem wachsamen Blick breitete sich ein dumpfes Unbehagen in mir aus. Ich fühlte mich wie ein hilfloses Insekt unter dem Objektträger eines Mikroskops.
    »Ich bin in einem Archiv über ihn gestolpert«, sagte ich und merkte, dass meine Stimme belegt klang. Ich räusperte mich. »Hat deine Mutter mal erwähnt, wie er zu dieser Clara von Rieckhofen stand?«
    Emilies Blick wurde prüfender. »Nein. Hat sie nicht.« Sie legte mir ihre alte Hand auf den Arm und ihr Griff war überraschend fest. »Jakob, ich bin zwar ein altes Weib, aber ich merke es, wenn man versucht, mich auszufragen. Raus mit der Sprache. Was ist hier los? Du kennst doch den Mann. Und das Mädchen. Sonst würdest du nicht so scheinheilig

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