Die dunkle Seite des Weiß
Heilstätten, auch wenn ich Mirellas Blick brennend auf mir spürte. Wir hatten eine Absprache. Noch ein paar Tage, in denen der Raum blieb, wie er war.
Simon sah unzufrieden aus und ich zuckte mit den Schultern. »Du weißt doch, wie das ist. Es braucht seine Zeit. Wir sind dran.«
Simons Blick bohrte sich regelrecht durch meine Schädeldecke. »Jetzt hör mir mal genau zu. Ich habe mit Mühe und Not durchgesetzt, dass du wieder hier tätig werden kannst. Ich habe das getan, weil ich weiß, dass du gut bist. Enttäusch mich jetzt nicht.«
Ich blickte Simon herausfordernd an. »Und was, wenn doch? Werde ich dann geköpft? Oder gibt es Kerker in dieser Vorzeigeinstitution, in denen die hoffnungslosen Fälle auf Nimmerwiedersehen verschwinden?«
Hades lachte auf, legte den Arm lässig auf die Sessellehne und stützte das Kinn in die Handfläche. »Nicht unwahrscheinlich. Vielleicht eine Art Circus Maximus. Brot und Spiele, das hat schon immer funktioniert.«
»Das ist nicht witzig«, sagte Mirella und drückte sich tiefer in den Sessel neben mir.
»Doch, genau das ist es«, antwortete ich gereizt. »Mal ehrlich, ich bin doch hier derjenige, der nur gewinnen oder sich endgültig ruinieren kann. Das ist mir mehr als deutlich bewusst.« Ich funkelte Simon wütend an. »Dafür brauche ich keinen Antreiber wie dich, der mir auch noch erklärt, auf welches Messers Schneide ich tanze.«
Bei meinen ungewohnt scharfen Worten ging ein Ruck durch Simon. Er räusperte sich. »So war das nicht gemeint. Du weißt, dass ich auf deiner Seite bin.«
»Ach, weiß ich das?« Ich lachte heiser. »Merkwürdig, dass plötzlich alle auf meiner Seite sind. Vor zwei Jahren war da niemand.«
Die Anspannung im Raum nahm an Dichte zu, und fast hatte ich das Gefühl, sie mit Händen greifen zu können. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Mirella eine Hand an die Schläfe legte. Doch noch bevor sie oder Simon etwas erwidern konnten, zerschrillte das Telefon die Stille.
Simon zuckte zusammen und riss gereizt den Hörer von der Gabel. »Ja?«
Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und ignorierte Mirellas prüfenden Blick. Mir war inzwischen fast alles egal, wenn wir nur halbwegs schnell hier rauskamen. Doch nur Sekunden später zog eine Veränderung in Simons Verhalten meine Aufmerksamkeit auf sich.
»Was interessieren mich Einbrüche von irgendwelchen Junkies in irgendwelchen Apotheken?«, brüllte er unvermittelt ins Telefon. »Ich habe Wichtigeres zu tun! Es ist mir egal, ob der Polizei Leute fehlen, so etwas ist kein Fall für die Akademie. Dann müssen die im Polizeipräsidium eben ein paar neue Stellen schaffen!« Wütend knallte Simon den Hörer zurück auf die Gabel.
Ich hob die Augenbrauen. »Wollten die mal wieder unsere Hilfe?«
»Ja, wegen Peanuts«, antwortete Simon und stemmte die Hände in die Seiten. »Aber wenn wir jetzt anfangen, uns wegen jeder Kleinigkeit einspannen zu lassen, dann kommen wir hier überhaupt nicht mehr voran.« Er heftete den Blick fest auf mich. »Womit wir wieder bei der Ausgangsposition unseres Gespräches wären. Ich will, dass ihr herausfindet, was es mit dieser seltsamen Leiche aus den Heilstätten auf sich hat. Und das zügig. Comprende?«
Meine Gedanken wanderten zurück zu Ernesto Sanchez. Und zu dem merkwürdigen Treffen, das ich beobachtet hatte. Für einen Moment war ich versucht, Simon davon zu erzählen, doch irgendetwas hielt mich ab. Vielleicht schwieg ich, weil Mirella neben mir saß. Vielleicht auch, weil ich selbst noch nicht wusste, was ich mit meinen Beobachtungen anfangen sollte. Was ich aber nicht lassen konnte, war, Ernesto zum Thema zu machen. Wo war er überhaupt? Hätte er nicht an diesem Meeting teilnehmen müssen?
»Ich könnte sicher effektiver arbeiten, wenn ich nicht ständig mit der Überwachung eines Mitarbeiters aus der Inneren Abteilung zu rechnen hätte«, sagte ich deshalb kühl.
Neben mir hörte ich Mirella leise aufstöhnen. »Er beeinträchtigt unsere Ermittlungen in keinster Weise.«
»Das sehe ich anders«, stellte ich klar. »Ich bin nicht frei in meinen Entscheidungen, fühle mich eingeschränkt und kann so nicht gut arbeiten.« Ich fixierte Simon mit dem Blick. »Also, wenn du willst, dass ich meinen Job vernünftig mache, dann pfeifst du diesen Schnösel zurück. Auf der Stelle. Oder ihr könnt euren Fall alleine lösen. Ich habe hier nichts zu verlieren, falls das irgendjemand von euch vergessen haben sollte.«
Erneut legte sich eine gedrückte Stille
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