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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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hinunterblickten, schlängelte sich eine geschnitzte Natter die ganze Wand entlang.
    Während ich noch fasziniert die Bilder auf mich wirken ließ, bewegte sich plötzlich der graue Vorhang hinter dem Tresen. Ein junger Mann in schwarzer Jeans und einem weißen Kittel trat hervor. Als unsere Blicke sich trafen, blieb er wie angewurzelt stehen.
    »Hallo, Manuel«, sagte ich lächelnd. »Schön dich wiederzusehen.«
     
    »Die Apotheke gehört meinem Stiefvater«, sagte Manuel, ohne den Blick von der Tischplatte zu nehmen. »Ich helfe dort aus.« Nachdem ich so unerwartet aufgetaucht war, hatte er um eine Pause gebeten, »wegen dringender Besprechungen für die Schule«, und war mit mir in ein Café in der Nähe gegangen. Während des kurzen Weges hatte er kein Wort gesprochen. Erst jetzt, als wir einander gegenüber saßen, er vor sich eine Cola, ich eine Tasse Espresso, bekam er die Lippen auseinander. In jedem seiner Worte schwang eine angespannte Wachsamkeit mit, die mir nicht entging.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte er und musterte mich unter halb gesenkten Augenlidern heraus. »Ich habe einen völlig anderen Nachnamen als mein Stiefvater und von der Apotheke hatte ich nichts erwähnt. Spionieren Sie mir nach?«
    »Nein, keine Sorge, wir haben Wichtigeres zu tun als Schülern aufzulauern«, entgegnete ich und ließ zwei Löffel Zucker in meinen Espresso rieseln. »Es war aber auch nicht wirklich schwierig«, fuhr ich dann fort, während ich den Zucker verrührte. »Der Geruch nach Kampfer hat dich verraten.«
    Manuel runzelte irritiert die Stirn. »Der Kampfer?«
    »Ja«, sagte ich und nahm einen Schluck vom dem Kaffee, dessen Geschmack sich herrlich bitter in meinem Mund ausbreitete und sofort die Lebensgeister weckte. »In der Apotheke deines Stiefvaters verschwinden seit Monaten immer wieder ganz bestimmte Mittel. Mittel, mit denen eigentlich niemand etwas anfangen kann, außer, er möchte Menschen um die Ecke bringen.«
    Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Weißt du, ich sage es nicht gern, aber irgendwie legt sich gerade eine mächtig große Schlinge um deinen Hals. Wenn du mir also irgendetwas zu sagen hast, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.«
    Manuel presste die Lippen aufeinander und schwieg.
    Ich beschloss, nachzulegen. »Wir haben die Mittel, die immer wieder bei euch in der Apotheke verschwunden sind, im Gewebe der Leiche gefunden.«
    Ich sah, wie Manuels Gesicht in Sekundenschnelle jegliche Farbe verlor. Geschockt starrte er mich an. »Sie haben was? Ich … war das nicht. Das müssen Sie mir glauben!«
    Ich hielt seinem Blick stand. »Muss ich das? Kaliumarsenit. Im Gewebe von Clara von Rieckhofen. Quecksilber allerdings auch. Wie lässt sich das nur erklären? Du hattest Zugang zu den Mitteln, du warst in den Beelitzer Heilstätten, deine Fingerabdrücke sind auf Claras Tagebuch. Was meinst du, wird die Polizei dazu sagen?«
    Manuel rutschte nervös auf seinem Stuhle herum. Plötzlich war er überhaupt nicht mehr cool. »Das ist nicht von mir. Das Quecksilber, meine ich. Das können nur noch Labore legal kaufen. Mit Nachweisen.«
    »Du kennst dich aber verdammt gut aus.«
    Manuel schnaubte. »Das bringt die Arbeit so mit sich.« Er fluchte leise und zerrte am Ärmel seines Pullovers. »Dieser verdammte Geruch.«
    »Du meinst den Kampfer?«
    Manuel nickte und runzelte die Stirn. »Man wird es nicht mehr los. Es hängt in den Klamotten, in den Haaren, in der Haut. Wie eine Schicht.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Im Prinzip ja nicht weiter schlimm, oder? Du riechst einfach immer ein bisschen nach Rheumamittel.«
    Manuel verzog die Mundwinkel. »Ja. Schön wenn auch Sie das geglaubt hätten.«
    Im Hintergrund ertönte das ohrenbetäubende Fauchen der Espressomaschine. Ich wartete, bis es verklungen war, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und heftete den Blick fest auf mein Gegenüber. »Gut, nehmen wir an, mit dem Quecksilber hast du nichts zu tun. Aber was ist mit dem Kaliumarsenit? Wenn jemand dir was anhängen will, dann geht das unter diesen Umständen verdammt schnell. Willst du das wirklich?«
    Manuel hob den Blick. Seine dunkelbraunen Augen waren matt und einen kurzen Moment glaubte ich, Verzweiflung darin aufblitzen zu sehen. »Denken Sie denn, dass ich es war?«
    Ich lächelte müde. »Was ich denke, spielt keine Rolle. Aber wenn ich du wäre, dann würde ich die Chance nutzen und jetzt erzählen, was genau gelaufen ist. Wieso hast du Kalium und

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