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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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geheimnisvolle letzte Substanz in den Körpern aller Leichen, die Hades bisher nicht hatte identifizieren können? Ich merkte, wie sich ein dumpfer Kopfschmerz hinter meinen Schläfen auszubreiten begann. Die Sache war verfahren. Wirklich verfahren.
    Als dann das leise Pochen an meiner Tür erklang, legte ich stirnrunzelnd das Tagebuch zur Seite und blickte auf die Uhr. Es war schon fast Mitternacht. Wer konnte um diese Zeit noch etwas von mir wollen? Da war es wieder, das Klopfen. Zurückhaltend, so als würde der Besucher gar nicht wirklich wollen, dass ich es hörte. Ich erhob mich aus dem Sessel und ging langsam zur Tür. Noch immer schmerzte mein Körper von Ernestos gezieltem Schlag. Doch das Heftigste schien vorüber zu sein.
    »Wer ist da?«, fragte ich.
    Einen Augenblick war es still. Dann hörte ich ein tiefes Durchatmen. »Ich bin es, Katherine«, sagte eine vertraute Stimme. »Ich weiß, es ist schon sehr spät. Aber es gibt etwas, dass ich dir gerne zeigen würde.«
    Mein Herzschlag beschleunigte sich. Katherine vor meiner Tür, mitten in der Nacht? Ich sah an mir hinunter und unterdrückte ein Stöhnen. In zerschlissener Jeans und dem uralten zerknitterten T-Shirt war ich nicht gerade das, was man unwiderstehlich nennen konnte. Aber darum ging es ja auch nicht. Nein, darum ging es nicht. Außerdem waren mir Ernesto Sanchez’ präzise Schläge noch mehr als deutlich in Erinnerung. Hormone hin oder her, heute Nacht würde sicher nichts passieren. Außer ich entdeckte plötzlich eine Vorliebe für Schmerzen …
    Ich atmete tief durch und öffnete die Tür.
    Katherines Blick war schüchtern, so als fürchtete sie, ich würde sie auf der Stelle wieder fortschicken. »Hallo Jakob. Darf ich reinkommen?«
    Sie sah noch viel hübscher aus, als ich sie von unseren Begegnungen im Archiv in Erinnerung hatte. Ihr dunkelblondes Haar fiel in weichen Wellen um ihr Gesicht und ihre blauen Augen funkelten im warmen Licht der Treppenhausbeleuchtung. Sie trug ein schlichtes violettes Kleid und kniehohe Stiefel, den Mantel hatte sie über den Arm gelegt und über ihrer Schulter hing eine Collegetasche aus dunklem Leder. Alles in allem war sie umwerfender, als ich erwartet hatte.
    Ich räusperte mich kurz, dann ließ ich die Tür aufschwingen. »Ja. Klar. Hereinspaziert.«
    Katherine betrat meine Wohnung zögerlich, so als wäre sie nicht sicher, ob das wirklich eine so gute Idee war. Und auch ich selbst fühlte mich merkwürdig bei dem Gedanken, dass sie nun hier war. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mir in der Vergangenheit ausgemalt hatte, wie es wäre, Katherine einmal außerhalb der Akademie zu treffen. Dass sie aber gleich bei mir zuhause aufkreuzen würde, damit hatte ich nicht gerechnet.
    »Hübsch hast du es hier«, sagte Katherine und deutete auf die Regale, die sich an den Wänden bis zur Stuckdecke hochzogen. »Ich habe auch so viele Bücher. Entsetzlich, wenn man mal umziehen muss.« Dann fiel ihr Blick auf meine Klarinette. »Oh, du bist Musiker?«
    »Musiker wäre zu viel gesagt«, antwortete ich, während ich mit einer hastigen Bewegung einige alte Zeitungen vom Sofa schob. »Hin und wieder versuche ich mich an ein wenig Klezmer. Sozusagen back to the roots. Mein Urgroßvater soll Rabbiner gewesen sein und das ist meine Art, einen Hauch Familientradition zu bewahren. Aber ich bin nicht wirklich gut. Möchtest du etwas trinken?«
    Katherine nickte lächelnd. »Ja, sehr gerne.«
    Ich hob die Brauen. »Okay. Wie wär's mit – Fanta?«
    Katherine lachte auf. »Jakob, ich bin 26. Ich trinke schon auch etwas Anderes als Fanta.«
    »Ja, natürlich«, sagte ich hastig. »Also … Rotwein?«
    Katherine nickte. »Ja. Rotwein klingt sehr gut.«
    Ich deutete mit einer fahrigen Geste auf das Sofa. »Setz dich doch. Ich bin gleich wieder da.«
    Auf dem Weg in die Küche versuchte ich, mein wild pochendes Herz zu beruhigen. Was war nur los mit mir? Ich wollte doch gar nichts von Katherine. Ich wollte Mirella zurück! Warum nur machte es mich dann so nervös, mit unserer Archivarin in einem Raum zu sein?
    Sie ist nicht einfach nur eine Archivarin und du bist nicht einfach nur mit ihr in einem Raum, dachte ich. Sie sitzt in deinem Wohnzimmer und sieht aus wie eine Mischung aus Brigitte Bardot und der Venus von Milo. Es ist nach Mitternacht. Und da soll man so tun, als ginge es um die Arbeit?
    Vor dem Weinregal blieb ich unschlüssig stehen. Merlot? Merlot. Merlot war nie verkehrt.
    So so, du willst also nichts falsch

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