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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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saßen?«, fragte ich und wich im letzten Moment einer Frau aus, die eilig einen Kinderwagen den Bürgersteig entlang schob. In den letzten Jahren hatte sich Kreuzberg in ein zweites Prenzlauer Berg verwandelt, nicht nur, was die Mietpreise anging. Man konnte den Eindruck bekommen, dass sich in unserem Kiez in einer Tour fortgepflanzt wurde.
    Simon brauchte einen Moment. »Ja, wegen dieser Lappalie«, sagte er dann. »Die Diebstähle in der Apotheke.«
    »Genau das meine ich. Kannst du mir sagen, was genau gestohlen wurde?«
    Simon zögerte einen Moment. »Ich bin nicht sicher. Ich glaube, es war die Rede von irgendetwas ganz einfachem. Natrium? Oder Kalium, ich weiß es nicht mehr genau. Und dann ist noch irgendetwas Fieses aus dem Giftschrank verschwunden, was natürlich weniger erfreulich ist.«
    »War es Arsen?« Mein Pulsschlag beschleunigte sich. »Hades hat Arsenverbindungen in Clara von Rieckhofens Gewebe gefunden. Und er sagte irgendetwas von Kaliumarsenit, das früher Patienten zur Kräftigung verabreicht wurde. Außerdem haben wir herausgefunden, dass dieser Wachmann, der noch im Krankenhaus liegt, ebenfalls mit Arsen belastet ist. Wenn sich jetzt herausstellt, dass irgendwo mit diesem Zeug gehandelt wird, dann könnte uns das weiterbringen, meinst du nicht auch?«
    »Kann sein, dass es Arsen war, ich bin kein Pharmazeut«, sagte Simon. »Aber das klingt vielversprechend. Hängst du dich bitte an die Sache ran?«
    »Natürlich«, antwortete ich, während ich für einen Moment die müden Augen schloss. Auf Oliver Menkes Liege hatte ich eine halbe Stunde ruhen können, während die Akupunkturnadeln ihren Job machten. Doch erholt war ich dadurch natürlich nicht. Meine Lider fühlten sich inzwischen an, als wären sie von innen mit Sandpapier überzogen.
    Ich zog einen Stift aus der Tasche und kramte einen zerknüllten Zettel hervor. »Um welche Apotheke geht es?«
    »Es ist die Apotheke am Markt. In Potsdam.«
    Ich unterdrückte ein Stöhnen, während ich mir die Angaben notierte. Potsdam. Großartig. Eine halbe Weltreise. »Danke Simon. Ich melde mich wieder.«
    Ich steckte die Notizen ein, schlug den Mantelkragen hoch und machte mich auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station.
    *
    Die Apotheke am Markt lag in einer stillen Seitengasse nahe der Potsdamer Innenstadt. Ich hatte mich direkt nach dem Anruf bei Simon in die Bahn gesetzt und war in die Brandenburger Hauptstadt gefahren. Inzwischen hatte sich meine Müdigkeit in einen Zustand aufgekratzter Nervosität gewandelt, an dem auch ein kurzes Einnicken während der über vierzigminütigen Fahrt nichts hatte ändern können.
    Der Schmerz am Rippenbogen hatte seinen stechenden Charakter verloren und war in ein dumpfes Brummen übergegangen, das ich fast ausblenden konnte. Offensichtlich hatte der Besuch bei Oliver Menke seinen Sinn erfüllt. Und wenn ich ehrlich war, dann verdankte ich ihm auch die Spur mit dem Kampfergeruch, der ich jetzt nachging. Ein Zufall, sicher. Aber ein hilfreicher, ohne den auch die besten Ermittler manchmal nicht auskommen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet konnte ich Ernesto Sanchez für unsere unkonventionelle Unterredung fast dankbar sein.
    Ich musterte kurz das rote Backsteinhäuschen, in dem sich die Apotheke befand, und öffnete dann die schwere, dunkle Holztür.
    Ein kleines, silbernes Glöckchen erklang. Ich trat ein und schloss die Tür sorgfältig hinter mir.
    Die Apotheke war alt, fast so alt wie diejenige aus meiner Kindheit, in der ich so viele spannende Stunden verbracht hatte. Auch hier dominierte dunkles Holz, es herrschte sanftes Dämmerlicht und ein Vorhang hinter dem Tresen trennte die weiter hinten liegenden Räume vom Verkaufsbereich. Ich atmete tief durch und lächelte. Der Geruch nach Holz, nach Desinfektionsmittel … und nach Kampfer. Unverkennbar deutlich, und ganz typisch für diese alten Apotheken, in denen in jeder Schublade und jedem Regal eine eigene geheimnisvolle Welt schlief.
    Ich trat an den Tresen aus geöltem Teakholz und wartete darauf, dass jemand zu mir nach vorne kam. Man musste mich gehört haben, die Türglocke war laut genug. Neugierig ließ ich den Blick über die alten Wandverkleidungen wandern. Sie waren mit figürlichen Schnitzereien verziert. Aesculap, der griechische Gott der Heilkunst, dessen Vater Apoll und nicht zuletzt Aesculaps Töchter Hygieia und Panakeia, die Göttinnen der Gesundheit und der Heilpflanzen. Zwischen den Figuren, die ernst auf die Besucher der Apotheke

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