Die dunkle Seite des Weiß
Ernesto. Vielleicht sollten wir es einfach dabei belassen.«
»Aber es ist alles ganz anders!« Ich streckte Mirella die Handflächen entgegen. »Katherine und ich, das ist doch … du weißt doch, dass ich eigentlich nur –« Ich stockte mitten im Satz.
Mirella heftete den Blick gnadenlos fest auf mich. »Dass du eigentlich nur was?«
Ich schluckte schwer und ließ mich mit dem Rücken gegen die Wand fallen. Dann schüttelte ich den Kopf. »Vergiss es. Nicht so wichtig. Wen interessiert schon, was ich möchte.«
Mirella presste die Lippen zusammen, dann nickte sie. »Richtig. Wen interessiert das schon.«
Damit zog sie energisch die Tür hinter sich zu.
Mein Nervensystem schien zu flirren, während ich auf die Tür starrte, die Mirella soeben vor mir zugeknallt hatte. Ein Flackern setzte sich vor meine Augen und eine tiefe Fassungslosigkeit breitete sich in mir aus. Das konnte einfach nicht wahr sein … ich musste träumen. Es durfte nicht wahr sein, dass von allen Samstagmorgen meines Lebens Mirella ausgerechnet an diesem hier aufgetaucht war! Als hätte es in der Vergangenheit nicht genug einsame Tage und Nächte gegeben, Wochenenden, an denen ich fast krank geworden war vor Sehnsucht nach ihr. Und an denen ich niemand anderen in meiner Wohnung geduldet hätte.
Ich stöhnte auf, ließ meine Stirn gegen das kühle Metall der Tür sinken und schloss die Augen. Mein Herzschlag fühlte sich wie ein Raspeln an, direkt hinter meinem Brustbein. Und der fassungslose Blick, den Mirella mir zugeworfen hatte, brannte sich tief in die Erinnerung ein.
Hinter mir hörte ich die leisen Schritte von Katherines nackten Füßen auf dem Dielenboden. »Es ist anders, als sie denkt? Stimmt das?«
Ich drehte mich um. Katherine stand mit hängenden Schultern in der Flügeltür zum Wohnzimmer. Sie trug noch immer mein T-Shirt und erst jetzt fiel mir auf, dass es das Shirt von der Rolling-Stones-Tour war. Das erste Konzert, auf dem Mirella und ich gemeinsam gewesen waren. Die Übelkeit in meiner Magengegend verstärkte sich. Für Mirella musste das eindeutig ausgesehen haben. Zu eindeutig.
Ich merkte, dass Katherine noch immer den Blick auf mich geheftet hielt, und hob hilflos die Hände. »Katherine, ich – ich wollte mit dir reden. Später. In Ruhe. Das, was zwischen uns passiert ist, das kann nicht … geht einfach nicht … das verstehst du doch, oder?«
Alle Hoffnung in Katherines Augen zerfiel zu Scherben. Ich sah, dass ihre Brust sich unter dem dünnen Stoff in Atemzügen hob und senkte, die plötzlich wie zusammengeschnürt wirkten.
»Nein«, flüsterte sie dann mit bebender Stimme. »Das verstehe ich nicht. Erklär es mir.«
Langsam ging ich zu ihr hinüber. Und mit jedem Schritt, den ich näherkam, spürte ich die tiefe Verletzung in Katherines Seele deutlicher. Es war, als würde ein stummes Schreien von ihr ausgehen, als würde jede einzelne Faser ihres Körpers zerreißen. Und ich war daran schuld. Es war fast unerträglich, mich ihr zu nähern. Doch eine Erklärung war das Mindeste, wenn ich nicht als komplettes Arschloch dastehen wollte.
»Es war eine wunderschöne Nacht«, sagte ich und blieb dicht vor Katherine stehen.
Sie hob den Blick und sah zu mir hoch. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet wie ein bedrohlicher Widerhaken. Ihre blauen Augen schimmerten leicht. Und zugleich mischte sich Zorn in das Gefühl der Verletzung hinein. Ein glühender Zorn, der mir aus jeder einzelnen Silbe, die sie sagte, entgegenschlug. »Du verdammter Mistkerl.«
»Katherine, ich …« Ich griff nach ihrer Hand, doch sie schüttelte mich ab.
»Fass mich nicht an!« Es zuckte in ihrem Gesicht. »Ich habe dir vertraut. Blind. Niemals hätte ich gedacht, dass du –« Sie presste die Kiefer so fest aufeinander, dass sich die Muskulatur deutlich abzeichnete.
»Katherine, was passiert ist, war so nicht geplant. Und glaub mir, du bist der letzte Mensch auf der Welt, dem ich wehtun möchte. Aber wir beide, das kann einfach nicht funktionieren.«
Ihre Augen blitzten. »Und? Wusstest du das gestern auch schon, als du mich gevögelt hast? Oder ist dir das heute früh ganz zufällig bei Mirellas Anblick eingefallen? Sei ehrlich!«
Ich seufzte. »Du willst eine ehrliche Antwort? Also gut.« Ich sammelte kurz die Worte zusammen, die mir durch den Kopf jagten. Dann sah ich Katherine fest in die Augen. »Ich fühle mich zu dir hingezogen. Das lässt sich nicht wegdiskutieren und auch nicht verleugnen. Und
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