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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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dass eine Zusammenarbeit nun völlig undenkbar wurde.
    Seufzend schob ich die Unterlagen zur Seite. Heute würde ich nicht mehr weiterkommen. Weder mit dem Fall, noch mit den Irrungen und Wirrungen meines Privatlebens. Zeit, den Kopf frei zu bekommen.
    *
    »Ich dachte mir, dass ich Sie hier finde.«
    Oliver Menke hob den Kopf, als er meine Stimme hörte, und ich sah den Hauch eines Lächelns in seinen Mundwinkeln. Er deutete auf den Platz auf der Bank neben sich, während ich langsam, die Hände in den Taschen meines Mantels verborgen, über den Bouleplatz schlenderte.
    »Unverhoffte Gesellschaft. Möchten Sie sich setzen?«
    Ich nickte und ließ mich neben ihn auf die Bank fallen. Eine Weile schwiegen wir. Ich starrte auf die dunklen Wasser des Landwehrkanals, während Menke in seinem Notizbuch kritzelte. Mein Blick wanderte über die Schatten der Hecken, in denen die letzten Reste des Schneematsches tapfer ausharrten, und dann hoch zum Himmel, der zur Nacht hin aufgerissen war und vereinzelt einige Sterne ins Freie ließ. Ein müde-gelber Mond hing wie erstarrt über den Dächern.
    Schließlich wandte ich mich Oliver Menke zu. »Was schreiben Sie da eigentlich?«
    Er ließ den schwarzen Füller sinken. »Krimis. Aber nur zum Spaß. Ich bin nicht besonders gut.«
    Ich lachte leise. »Immerhin ehrlich.«
    Oliver Menke grinste. »Alles andere rächt sich früher oder später.« Er musterte mich von der Seite. »Und, was macht die Boxkarriere?«
    »Ist den Bach runtergegangen. Meine Gehirnzellen waren mir wichtiger«, antwortete ich trocken. »Danke übrigens, der Schmerz ist deutlich zurückgegangen, nachdem ich bei Ihnen war.«
    »Gern geschehen«, antwortete Menke, während er das Schreiben wieder aufnahm. »Verraten Sie mir früher oder später auch, was Sie wirklich tun?«
    Ich zögerte. Lange. Dann streckte ich die Beine aus und lehnte mich entspannt zurück. »Vielleicht.«
    Menke lachte auf. »Ich harre gespannt der Dinge.«
    »Dann harren Sie mal.«
    Mein Banknachbar schwieg einen Moment. Dann räusperte er sich. »Hatte ich recht, letztens? Todkrank zumindest sind Sie nicht, wenn auch nicht gerade in bester Verfassung. Bleibt der Misanthrop, schlaflos, traumatisiert, verlassen worden, einsam.«
    Ich spürte seinen Blick auf mir und plötzlich erschien es mir gar nicht mehr so absurd, ihm alles zu erzählen. So, wie man einem Freund Dinge von sich erzählt. Einen Vertrauensvorschuss gibt, in der Hoffnung, nicht enttäuscht zu werden. Ich hatte den Eindruck, als könnte Oliver Menke eines Tages diesen Vertrauensvorschuss verdienen. Doch noch war ich nicht so weit.
    Ich deutete mit einem Nicken auf den Bouleplatz. »Was ist, spielen wir eine Runde? Macht den Kopf frei. Kann ich brauchen.«
    Für einen Moment hingen unsere Blicke aneinander. Dann grinste mein Heilpraktiker breit. »Aber nicht weinen, wenn Sie verlieren. Ich mag ein verdammt schlechter Schriftsteller sein, aber auf dem Bouleplatz werde ich zum Tier.«
    *
    »Ich will nicht darüber reden!«
    Noch bevor ich am Montagmorgen die Tür des Büros hinter mir schließen konnte, hatte Mirella die Fronten abgesteckt. Sie saß weit zurückgelehnt auf dem Schreibtischstuhl, hatte die Beine auf den Tisch gelegt und die Arme vor der Brust gekreuzt. Ihr Gesichtsausdruck war so entschieden, dass ich lediglich stumm nickte, meinen Mantel ans Regal hängte, mich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte und Mirella schweigend zu betrachten begann. Sie hielt meinem Blick stand und nur wer sie wirklich gut kannte, sah das leichte Lodern in ihren Augen. Katherine hatte recht. Ich war ihr nicht egal. Alles andere als das. Aber wieso war dann eigentlich alles so furchtbar kompliziert?
    »Gut«, unterbrach ich das eisige Schweigen schließlich, stieß mich von der Wand ab und zog einen Zettel aus der Hosentasche. »Dann tun wir das, was wir am Besten können. Arbeiten.« Ich entfaltete das Blatt, das Katherine mir Freitagnacht gegeben hatte, und hielt es Mirella hin. »Es gibt Neuigkeiten. Außerordentlich interessante Neuigkeiten. Diese Blume, die in deinem Auto das Zeitliche gesegnet hat, war nicht einfach nur irgendeine Lilie.«
    Mirella überflog die Notizen mit gerunzelter Stirn und ich sah, wie ihr der Atem stockte. Dann blickte sie zu mir hoch. »Du weißt, was das bedeutet?«
    Ich hob die Brauen. »Allerdings. Dass wir beide tatsächlich nochmal in die Heilstätten müssen. Tun wir‘s jetzt gleich oder lieber romantisch bei Mondschein?«
    Mirella schnaubte leise,

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