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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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noch früh genug mitbekommen, dass der Mann, dem sie vertraut hatte, ihre Liebe nicht verdiente. Jetzt war dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Wir mussten zu KehPharma. Und herausfinden, was dieses Unternehmen mit Albert Morius zu tun hatte. Denn dass die Firma in die Sache verwickelt war, stand spätestens nach Ernestos Aussage völlig außer Frage.
    An der nächsten Kreuzung brachte ich den Wagen vor der roten Ampel zum Halt. Die Straße nach links führte aus der Stadt hinaus. Ich ließ meinen Blick an den Häuserreihen entlang schweifen und spürte einen sehnsüchtigen Impuls in mir aufblitzen. Nicht einmal eine halbe Stunde und Mirella und ich wären fort von allem. Weit weg. Nur wir beide, alleine irgendwo in den brandenburgischen Weiten. Für einen Moment war die Verlockung groß, einfach abzuhauen und alles hinter sich zu lassen. Die Ermittlungen. Ernesto. Die ganze elende Vergangenheit. Doch dann blitzte Clara von Rieckhofens Gesicht wieder vor meinem inneren Auge auf. Ich sah das Drängen in ihrem Blick, nahm erneut die sanfte Berührung ihrer kühlen Finger auf meiner Wange wahr.
    Die Ampel sprang auf Grün. Ich umfasste das Lenkrad fester, spürte das Gaspedal unter meinem Fuß – und bog nach rechts ab. Richtung Charlottenburg.
    *
    Der Firmensitz von KehPharma strahlte eine solch sterile Eintönigkeit aus, dass ich am liebsten noch vor der Tür wieder umgekehrt wäre. Glasfassaden, kühler Marmor, gleißendes Neonlicht. In der Luft mischte sich der Geruch von Seife und Desinfektionsmitteln mit der typischen Trockenheit von Konferenzräumen. Weit und breit war keine einzige Pflanze zu sehen. Nur ein beeindruckend großes Aquarium mit leuchtend bunten Malawibarschen begrüßte die ankommenden Besucher mit etwas Leben.
    Mirella schien sich ähnlich unbehaglich zu fühlen, wie ich es tat, als wir das riesige Foyer durchquerten, die im Aquarium träge ihre Bahnen ziehenden Fische links liegen ließen und auf den Empfangstresen zusteuerten. Unsere Schritten hallten durch den weiten Raum und verklangen irgendwo im Nichts.
    Am Empfang stand eine junge Frau mit hochgesteckten Haaren und einem perfekt geschnittenen Kostüm. Ihr Blick war auf den Computerbildschirm gerichtet, der fahlweißes Licht auf ihr Gesicht fallen ließ, und vor ihr lag, aufgeschlagen, ein beeindruckend breiter Terminkalender. Als wir vor ihr stehenblieben, hob sie erst nach einer knappen halben Minute den Blick und musterte uns kühl.
    »Sie wünschen?«
    Ich blickte vom Kalender auf, den ich in der Zwischenzeit ausführlich hatte begutachten können, und schenkte ihr mein charmantestes Lächeln. »Guten Tag, ich bin Tim Brandt und das hier ist meine Kollegin Celeste Moreaux.« Ich merkte, wie Mirella neben mir zusammenzuckte.
    Die Frau am Empfang verzog keine Miene.
    »Wir haben einen Termin«, ergänzte ich ruhig.
    »Korrekt«, sagte die Empfangsdame nach einem Blick in den Kalender. »Mit der Geschäftsführung. Aber erst in zwei Stunden. Sie sind zu früh.«
    »Wichtige Angelegenheiten dulden keinen Aufschub«, sagte ich und stützte mich mit einem Arm auf dem Tresen ab. »Könnten Sie nachfragen, ob man schon jetzt Zeit für uns findet?«
    Die Frau musterte Mirella und mich prüfend von oben bis unten.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, erwiderte sie dann knapp, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand durch eine Tür.
    Mirella starrte mich entgeistert an. »Celeste Moreaux? Wer bitte ist das?«
    Ich grinste breit. »Die Himmlische. Ein schöner Zufall, nicht wahr, mein kleines Teufelchen?«
    Dann tippte ich auf den Terminplaner, den die junge Frau auf der Theke hatte liegen lassen. »Hier, siehst du? Tim Brandt und Celeste Moreaux von Aviaire. Das ist ein bekanntes Schweizer Pharma-Unternehmen. Ich nehme an, bei diesem Gespräch kann man eine Menge hilfreicher Dinge herausfinden. Praktisch, nicht wahr?«
    Mirella zog scharf die Luft ein. »Bist du wahnsinnig?«, zischte sie und blickte sich unruhig um. »Was, wenn die Beiden hier schon längst bekannt sind? Dann fliegen wir schneller auf, als wir gucken können! Und landen als Versuchsäffchen in irgendeinem gruseligen Labor!«
    »Komm schon, so ganz ohne Risiko macht es doch auch keinen Spaß, oder?« Ich zwinkerte ihr zu. »Also, sei himmlisch wie immer, dann klappt das schon. Ich hoffe, du hast deine Pillen genommen.«
    Mirella zog scharf den Atem ein, doch sie kam nicht mehr dazu, mir zu antworten. In diesem Moment öffnete sich die Tür und die junge Frau vom Empfang

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