Die dunkle Seite des Weiß
Sache in Weißrussland zu tun haben. Und mit den Frauen, die hier in Berlin gefunden wurden.«
»Gar nichts habe ich damit zu tun!«, entfuhr es Ernesto und es hätte nicht viel gefehlt und er hätte mit der Faust gegen die Wand geschlagen.
Ich pfiff leise durch die Zähne. »Ich glaube Ihnen nicht. Und Mirella tut das übrigens auch nicht. Keine gute Voraussetzung für eine Versöhnung mit ihr, das weiß ich aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Vertrauensbruch wiegt schwer.«
Ernesto presste die Kiefer so hart aufeinander, dass die Muskulatur deutlich hervortrat. Kurz blickte er auf den Boden, so als müsste er seine Gedanken sammeln. Dann hob er den Blick.
»Sie wollen wissen, was passiert ist, ja?«, sagte er.
Ich nickte. »Nur allzu gerne.«
Ernesto verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, doch dieses Mal hatte es nichts Verächtliches an sich. Es war ein schmerzliches Lächeln, das mühevolle Kaschieren einer Verwundung. Und Ernesto war der Letzte, von dem ich eine solche Verletzlichkeit erwartet hätte.
»Also gut«, sagte er. »Was bleibt mir anderes übrig.«
»Nichts. Zumindest nicht, wenn Sie noch den Hauch einer Chance bei Mirella haben wollen«, antwortete ich. »Da werden Sie ehrlich sein müssen. Absolut ehrlich. Und ich warne Sie«, ergänzte ich, den Blick fest auf ihn geheftet. »Wagen Sie es nicht, mich anzulügen. Ich finde es heraus. Und ich mache Sie fertig, wenn Sie Mirella wehtun. Ich stampfe Sie unangespitzt in den verdammten Berliner Sandboden.«
Ernesto keuchte leise und ich war nicht sicher, ob es ein Lachen oder ein Zeichen von Verachtung war. Dann straffte er sich. »Gut. Hören Sie zu. Ich versuche, es kurz zu machen.«
Ich nahm Mirellas Wohnungstürschlüssel vom Regal, zog leise die Tür hinter mir zu und lehnte mich gegen den Türrahmen. Der dunkelgrüne Teppichbelag des Flures dämpfte jedes Geräusch. »Ich bin ganz Ohr. Legen Sie los.«
Ernesto presste kurz die Lippen aufeinander, blickte dann links und rechts den Hausflur entlang und strich sich nervös eine Haarsträhne aus der Stirn. »Also gut. Es ist richtig, dass ich mit einem Forschungsprojekt zu tun hatte, bei dem es um die Entwicklung von Tuberkulose-Medikamenten geht.«
Ich hob die Brauen. »Tatsächlich?«
Mit einem so ehrlichen Geständnis ohne jede Umschweife hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte vermutet, dass Ernesto mir alle möglichen Geschichten auftischen würde. Stattdessen schien er fast erleichtert zu sein, endlich die Wahrheit sagen zu können.
Ernesto nickte ernst. »Ja. Allerdings ist das einige Jahre her. Ich war damals von einem Mann kontaktiert worden, der meine Netzwerke nutzen wollte. Er hatte davon gehört, dass ich für die Akademie vor allem als Vermittler und Berater tätig bin. Dass ich ein Mensch bin, der andere Menschen optimal zusammenbringen kann. Und er nahm wohl an, das könnte ihm von Nutzen sein.« Er atmete tief durch und fuhr fort zu sprechen. »Um ehrlich zu sein, sein Angebot war nicht uninteressant. Ich hatte damals keine Ahnung von der ganzen Tuberkuloseproblematik und wusste nichts von dem erneuten Aufflammen und den multiresistenten Keimen, die langsam zum Problem werden.«
»Wie lange ist das her?«
»Ungefähr fünf Jahre«, antwortete Ernesto. »Ich war noch nicht lange in der Akademie in Berlin. Und ich war mir auch nicht sicher, wie lange ich bleiben würde. Es klang nach einem lukrativen Angebot. Und nicht zuletzt nach einer guten Sache. Einen Haufen Geld verdienen mit einem lebensrettenden Medikament, was gibt es daran zu bemängeln?«
»Nichts, wenn dabei alle ethischen Grundsätze geachtet werden«, entgegnete ich.
Ernesto lachte heiser. »Ja. Der gute Jakob Roth und seine blütenweißen ethischen Grundsätze.«
Ich überhörte den leisen Spott. »Was ist aus der Sache geworden?«
»Ganz einfach. Nichts«, sagte Ernesto. »Zumindest dachte ich das bis vor Kurzem. Ich habe damals Kontakte hergestellt zwischen einem interessierten Unternehmen und diesem Mann. Er sagte, er hätte die Forschungsansätze, die zu einem Besiegen der Tuberkulose führen könnten. Und ich hatte entsprechende Kontakte.«
»Wer war dieser Mann?«, fragte ich gespannt.
Ernesto schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nie persönlich getroffen. Am Telefon nannte er sich Albert Morius. Aber er hätte genauso gut Hans Meier oder Kurt Müller sein können. Ich habe das nie überprüfen können. Wie gesagt, er tauchte einfach so auf, quasi aus dem Nichts.«
»Was ist dann passiert? Warum
Weitere Kostenlose Bücher