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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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kehrte zurück. »Herr Schröder erwartet Sie.«
    Ich bedanke mich mit einem freundlichen Nicken, das die Empfangsdame vollkommen ignorierte, dann traten auch wir durch diese Tür.
    »Toll, oder? Der Geschäftsführer heißt wie dein Kaktus«, murmelte ich Mirella zu. »Sei nett zu ihm.«
    »Netter als zu dir? Kein Problem«, raunte Mirella zurück. Sie war ein wenig blasser um die Nase als sonst, hielt sich aber wacker.
    Wir durchquerten ein weiteres Foyer und wurden an dessen Ende von einem Mann erwartet. »Carsten Schröder, Geschäftsführer der KehPharma Group«, stellte er sich vor und schüttelte Mirella und mir die Hand. Sein Händedruck war ein wenig zu weich, und auch sonst wirkte der Mann angeschlagen, so als hätte er gerade mit einem schweren Infekt zu kämpfen. Seine Augen glänzten fiebrig und er machte einen müden, erschöpften Eindruck.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er und deutete auf eine lederne Sitzgruppe im Bauhaus-Stil, die eine Ecke seines großzügig geschnittenen Büros einnahm. »Und verzeihen Sie meinen Zustand, ich brüte wohl eine Grippe aus.«
    »Husten?«, fragte Mirella mit einem hinreißenden Lächeln. Ich unterdrückte ein Grinsen. Da war sie wieder, die professionelle Fassade. Ab jetzt musste ich mir eigentlich keine Gedanken mehr machen. Mirella spielte mit.
    »Was? Nein, nein«, erwiderte Carsten Schröder und ließ sich uns gegenüber in einen Sessel fallen. Dann lockerte er seine Krawatte, zog ein Taschentuch aus der Weste und tupfte sich damit über die Stirn.
    »Nun, solange es keine Tuberkulose ist«, sagte Mirella.
    Der Geschäftsführer lachte laut auf. »Oh, so schlimm wird es wohl nicht werden. Möchten Sie Kaffee? Tee?«
    Wir schüttelten den Kopf.
    »Dann würde ich vorschlagen, wir beginnen«, sagte Schröder. »Es freut mich, dass Aviaire Interesse an einer Zusammenarbeit mit KehPharma hat, da wir ohnehin daran dachten, unser Geschäftsfeld in der Schweiz im kommenden Jahr auszuweiten.«
    »Tatsächlich?«, sagte ich interessiert.
    Carsten Schröder runzelte die Stirn. »Nun, davon wissen Sie ja bereits. Ich würde Ihnen gerne unser Konzept für die schweizweite Vermarktung eines Kopfschmerzpräparates unterbreiten, bei dem wir uns eine Zusammenarbeit mit Aviaire hervorragend vorstellen könnten. Dola-San, eine Entwicklung unseres Hauses.«
    »Wir haben einen anderen Vorschlag«, sagte Mirella, lehnte sich bewusst langsam in ihrem Sessel zurück und schlug die langen Beine übereinander.
    Gespannt blickte ich zu ihr hinüber. Ich wusste, was jetzt kam. Unser Auftritt hier glich zwar einer Dramaturgie auf Zuruf, einem Spontantheater. Doch wir hatten ein Ass im Ärmel, von dem Schröder nichts ahnte.
    Mirella machte eine bedeutungsvolle Pause. Das Schweigen beschwor eine neugierige Erwartung im Raum herauf, vermischt mit Irritation und Verwunderung. Ich sah, wie ein leichter Ruck durch Carsten Schröder ging, als Mirella ihn mit Blicken fixierte, und nahm die fast unmerkliche Abkühlung der Raumtemperatur wahr. Das Zeichen dafür, dass sich eine Illusion aus der Atmosphäre löste. Eine leichte Gänsehaut huschte über meine Haut.
    Mirella lächelte freundlich, während Carsten Schröders Augen einen fiebrigen Glanz bekamen. »Sie sehen es schon vor sich, nicht wahr?«, sagte sie so leise, dass sich ihre Stimme wie ein feiner Faden durch den Raum spann. »KehPharma steht eine große Zukunft bevor. Was immer Sie sich bisher vorstellen konnten, ist nichts dagegen. Neue Pläne. Neue Ideen. Warum warten?«
    Ein erstauntes Lächeln huschte über Schröders Züge. Er war so in die Bilder der Illusion versunken, die Mirella in seinem Inneren heraufbeschwor, dass er alles andere um sich herum zu vergessen schien. Einmal mehr stieg mein Respekt vor der Macht, die Mirellas Gabe ihr über andere Menschen schenkte. Es war eine unheimliche Fähigkeit, die zugleich faszinierend und abstoßend war. Und bei der es nur einen einzigen Haken gab: Sie wirkte nicht bei jedem. Carsten Schröder allerdings hatte Mirella absolut nichts entgegenzusetzen.
    Keine Minute später war es vorüber. Die Temperatur im Raum normalisierte sich und Carsten Schröder blinzelte irritiert.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er und fasste sich kurz an die Schläfe. »Ich war kurz … in Gedanken.«
    Mirella lächelte sanft. »Ich würde gerne mit Ihnen über Tuberkulose reden.«
    »Wie bitte?« Carsten Schröders Gesicht entgleiste. Sein Blick wanderte von Mirella zu mir hinüber.
    Und ich versuchte

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