Die dunkle Seite
Becken. Die Brüste standen groß und mächtig hervor. Das Gesicht wirkte ägyptisch und war eingerahmt von funkelndem Kopfschmuck. Zwischen ihr und dem Becken lagen große Kissen.
Vera hatte genug gesehen. Sie drehte sich um und stand vor einem Mann mit dunkler Brille und Vollbart.
Sein untersetzter Körper steckte in einem cremefarbenen Anzug mit zu breitem Revers. Das Haar war straff zurückgebürstet und zu einem Zopf gebunden. Unter dem weit geöffneten Hemd wurden diverse schimmernde Ketten und Anhänger sichtbar.
»Frau Gemini?«
»Ja.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie warten ließ«, sagte er in seinem eigentümlich schleppenden Tonfall. »Wie ich sehe, wußten Sie sich zu beschäftigen.«
Er streckte ihr seine Rechte entgegen. Vera ergriff sie. Es war, als packe sie in eine Besteckschublade. Gut ein Dutzend Ringe stahlen einander die Schau.
Sie drückte fest zu.
»Ymir Solwegyn, nehme ich an.«
»Zu Ihrer Verfügung.« Er neigte kaum merklich den Kopf. Sein Bart spaltete sich und gab zwei Reihen langer gelber Zähne frei. »Sie haben sich ein bißchen umgesehen? Das ist schön. Wie gefällt Ihnen meine kleine Stätte der Begegnung?«
»Wohnlich.«
»Die passendste aller Umschreibungen. Ja, Sie haben recht, es hat einen sehr persönlichen Stil. Bitte.«
Er raffte den Vorhang zur Seite, um sie durchzulassen. Als Vera zurück in den Gang trat, erblickte sie eine Frau in einem engen Catsuit. Sie lehnte an einer der durchlöcherten Wände und bedachte Vera mit einem unergründlichen Lächeln. Zwei Männer in dunklen Anzügen standen dicht hinter ihr.
»Katya, die Königin der Nacht«, erklärte Solwegyn fast entschuldigend, »und zwei Freunde aus meiner schönen Heimat. Sie müssen verstehen, mir war nicht klar, wen ich zu erwarten habe. Tragen Sie eine Waffe?«
»Grundsätzlich nicht.«
»Ihr Wort ist die Wahrhaftigkeit. Dennoch lehrt uns die Geschichte den Irrtum. Ich schätze, Sie werden nichts dagegen haben, wenn Katya kurz auf Tuchfühlung geht.«
Die Frau stieß sich von der Wand ab und lächelte Vera an. Sie war hübsch, wenngleich zu stark geschminkt. Mit wiegenden Hüften trat sie dicht an Vera heran und blickte ihr in die Augen. Ihre Hände legten sich auf Veras Schultern »Kurz«, sagt Vera kalt.
Katya zog amüsiert die Brauen hoch. Dann tastete sie mit schnellen, professionellen Bewegungen Veras Körper ab, nickte bestätigend und trat beiseite. Solwegyn kraulte sich den Bart und gab den Männern ein Zeichen. Ohne ein Wort verließen sie den Gang.
»Aufrichtigkeit macht schön«, sagte Solwegyn. »Ich hatte keinerlei Zweifel. Gehen wir in mein Büro.«
»Ich dachte, das hier sei Ihr Büro«, erwiderte Vera spöttisch.
Solwegyn lachte sein unhörbares Lachen.
»Ich arbeite ungern in den Gästezimmern. Hier unten ist die Hölle, darüber das Sündenbabel. Als gläubiger Christenmensch ist mir das Himmelreich am nächsten. Leider verfügt das Haus nur über einen ersten Stock.«
Sie stiegen zurück ins Erdgeschoß und weiter hinauf, Solwegyn voran, dann Vera, gefolgt von Katya. Die obere Etage wurde durch den obligatorischen roten Vorhang abgeteilt. Dahinter eröffnete sich ein großer Raum mit barocken Möbeln und Parkettböden. Solwegyn führte sie zu zwei einander gegenüberstehenden Sofas.
»Damit wir uns recht verstehen, ich habe diesem Treffen zugestimmt, weil ich beunruhigt bin. Bevor ich also meinerseits Informationen preisgebe, sollten Sie vielleicht den Anfang machen. Möchten Sie etwas trinken?«
»Danke. Im Augenblick nicht.«
Solwegyn ließ sich in die Polster sinken und vollführte eine Geste, eben einladend genug, um nicht als Befehl gedeutet zu werden. Vera nahm ihm gegenüber Platz. Katya postierte sich mit verschränkten Armen hinter Solwegyn und fixierte sie unter halbgeschlossenen Lidern. Ein belustigtes Zucken umspielte ihre Mundwinkel.
»Also?«
»Es gibt nicht viel zu erzählen«, sagte Vera. »Ich bin auf der Suche nach Andreas Marmann.«
»Ja, ich weiß. Warum?«
»Um ihn zu finden.«
»Präziser, wenn ich bitten darf.«
»Um ihn seinen Eltern zurückzugeben. Seine Familie hat mich beauftragt.«
Solwegyn strich sich über den Bart und wiegte den Kopf. Die dunklen Gläser ließen ihn ausdruckslos erscheinen. Offenbar dachte er darüber nach, ob er Vera glauben sollte. So wie sie ihn einschätzte, lebte er in ständigem Mißtrauen.
»Der alte Marmann?«
»Er und seine Frau.«
»Seltsam. Was wollen die von ihrem Sohn?«
»Die Frage birgt die
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