Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
mornin’, ooh, when you knocked upon my door
And I said, ›Hello, Satan, I believe it’s time to go. ‹
Selbst in einem Körper, der nicht hundertprozentig meiner war, konnte ich mich eines Schauderns nicht erwehren. Wie es aussah, würde ich in den nächsten Tagen einen Haufen Dinge tun müssen, die ich nicht sonderlich gern tat, zum Beispiel mit meinem besten Freund Sam drüber zu reden, warum er nicht ganz ehrlich zu mir war. Weil Alice vom Büro doch gesagt hatte, dieser Edward Walker, den sie jetzt an mich weitergebe, sei eigentlich für Sam bestimmt gewesen, und weil ich im umgekehrten Fall meinem alten Kumpel garantiert längst erklärt hätte, warum ich einen Klienten nicht angenommen hatte, durch den er so tief in die Scheiße geraten war.
Je länger ich drüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich mehr über das alles wissen musste – über den toten Mr. Walker, sogar über Grasswax. Aber Informationen über Höllenbeschäftigte waren auf regulären Wegen nicht leicht zu kriegen. Ich würde Fatback einen Besuch abstatten müssen.
5
DER SCHWEINEMANN
D en größten Teil des nächsten Tages war ich mit Routinearbeit beschäftigt. Alice gab mir einen Klienten in Downtown, Unfall mit Fahrerflucht auf der 84, Höhe Shell Mound Road. Es war im Grund eine todsichere Sache – das Opfer ein zwölfjähriger Schüler, der auf dem mittäglichen Nachhauseweg die Kreuzung überquert hatte. Der Ankläger, ein neuer Typ namens Weepslug, warf einen Blick auf die Unfallstelle und verdrehte angewidert das Auge. (Er hatte nur eins, mehr oder weniger in der Mitte.) Eigentlich hätte es sehr schnell gehen können – dieser Junge war keiner mit finsteren Geheimnissen –, aber bei Kindern sind die Regeln extrem streng, und wir mussten alle Formalitäten einhalten. Als der Richter endlich geurteilt hatte und ich diesen traurigen Ort verlassen konnte – die ganze Zeit lagen da noch das verbogene Fahrrad und ein Schuh des Jungen mitten auf der Straße –, war mein Tag ziemlich am Arsch. Ich hatte zwar gewonnen, aber auch das konnte nicht das Bild auslöschen, wie der Junge heulte, als er kapierte, dass er nicht zu Mom und Dad nach Hause gehen würde.
Manchmal hasse ich meinen Job.
Irgendwann, als der Richter gerade den Verstorbenen befragte – bei Minderjährigen ist das Usus –, sagte Weepslug zu mir: »Haben Sie das mit Grasswax gehört?«
Ich fragte mich, ob er es wirklich nicht wusste. »Klar hab ich’s gehört.«
»Er war ein übler Kerl, aber glauben Sie mir, das hat niemand verdient.«
»Ich dachte immer, ein übler Kerl zu sein, gilt bei euch als was Gutes.«
Er sah mich merkwürdig an. Für einen Dämon fand ich ihn ganz sympathisch – sein Plierauge hatte etwas Nachdenkliches, und obwohl er doppelt so groß war wie ich, nutzte er diese Tatsache nicht, um mich einzuschüchtern. Wobei ich ihm natürlich trotzdem kein bisschen traute. »Es gibt cool-übel und übel -übel«, sagte er. »G-Wax hat sich auf beiden Seiten Feinde gemacht.«
»Sie meinen, es könnte jemand von meiner Seite des Spielfelds gewesen sein?« Das war ein ganz neuer Gedanke. Es passte eigentlich nicht zu uns, aber vielleicht hatte ja jemand genau darauf spekuliert. Trotzdem, das Blutige Netz …
Die Stirn des Anklägers runzelte sich erschrocken, wodurch sein Gesicht aussah, als hätte sich jemand auf einen Weihnachtsschinken gesetzt. »Ich meine gar nichts«, verkündete Weepslug schnell und laut. »Ich weiß nichts.«
»Ich auch nicht«, versicherte ich ihm. »Es gibt keinen größeren Segen als Unwissenheit.«
»Schau, schau!«, rief Sweetheart, als ich um kurz vor sechs das Compasses betrat. »Der meistgesuchte Mann des ganzen Himmels!«
»Ha, ha, sehr witzig.«
Sam stand an der Bar, vor sich ein Ginger Ale und den aufgeschlagenen San Judas Courier. Zeitungen waren auch so etwas, womit er sein Old-School-Image kultivierte. »Schau mal«, sagte er, als ich zu ihm ging. »Sein Arbeitsname war Darko Grazuvac.«
Es dauerte einen Moment, bis es Klick machte. »Grasswax? Sie haben einen Nachruf auf ihn gebracht?«
»Nachruf, pah – einen Artikel auf der Titelseite. Schließlich ist er gerade am Schauplatz eines Prominenten-Selbstmords ertrunken aufgefunden worden. Ist doch nur logisch, oder?«
Das wurde ja immer noch beunruhigender. Weder wir noch die Gegenseite waren scharf auf Publicity, schon gar nicht auf solche. Journalistisches Gestochere in der Vorgeschichte von Leuten, deren Vita weitestgehend erfunden war
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