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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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anführen. Wir werden die Mauern erneut berennen und sie ein zweites Mal zerstören.« Mit geballten Fäusten hob er beide Arme, während er mit den Beinen das Gleichgewicht zu halten versuchte, denn das Boot stampfte. »Und in der Hagia Sophia wird man mich krönen!«
    Dann wandte er sich mit einem Lächeln Giuliano zu, bereit, endlich über Einzelheiten zu sprechen, über Geld und Schiffe, die Zahl der mit ihren Rüstungen, Pferden, Kriegsmaschinen und sonstigen Ausrüstung über das Meer zu transportierenden Krieger.

KAPİTEL 42
    Am frühen Abend stand Anna auf dem Hügel, von dem aus man weit über das Goldene Horn wie auch den Bosporus hinwegblicken konnte, dort, wo sie mit Giuliano Dandolo gestanden und über die Pracht der unter ihnen liegenden Stadt gesprochen hatte. Alles war noch ebenso schön wie zuvor, doch diesmal hielt sie den Blick auf das asiatische Ufer gerichtet, wo sich die Wolken türmten, die wie Schiffe am Himmel dahinsegelten.
    Eine lastende Stille lag in der Luft. In jüngster Zeit hatte sich Anna so intensiv um ihre Patienten kümmern müssen, dass sie nur selten eine Gelegenheit gehabt hatte, herzukommen. Zwar war ihr die Einsamkeit im Augenblick nicht unlieb, doch wäre es ihr sehr recht gewesen, mit Giuliano sprechen oder auch nur einen Blick mit ihm wechseln zu können und zu wissen, dass er in allem die gleiche Schönheit sah wie sie. Worte wären überflüssig.
    Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, begriff sie, wie töricht sie waren. Sie durfte nicht auf diese Weise an ihn denken. Zwar hatte sie die Möglichkeit, seine Freundschaft eine Weile zu genießen, musste sie dann aber gleich wieder aufgeben. Auf keinen Fall war sie etwas Dauerhaftes, woran sie hätte festhalten können.
    Die Zeit war nur kurz, die sie dort stehen und zusehen konnte, wie das Licht über dem Wasser allmählich schwand, die Schatten goldfarben wurden, die Umrisse nach und nach verschwanden und die letzten Strahlen der Sonne sich wie Feuer auf die Fenster legten.
    Mit ihrem Vorhaben, Ioustinianos’ Namen reinzuwaschen, war sie noch nicht recht vorangekommen. Er befand sich nach wie vor als Gefangener in einem Wüstenkloster,
wo er vermutlich vor Kummer verging. Während sie winzige Fetzen von Informationen zusammentrug, zu klein, als dass sich daraus etwas hätte machen lassen, musste er sich damit abfinden, dass Stunden, Tage und Jahre vergingen, ohne dass er einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen konnte.
    Sie war nicht einmal sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen Bessarions gewaltsamem Ende und dessen religiösem Eifer gab. Ebenso gut war es möglich, dass so etwas wie eine persönliche Abrechnung dahinterstand. Soweit sie wusste, war der Mann harsch und abweisend gewesen, und niemand war gut mit ihm ausgekommen.
    Immer mehr neigte sie der Ansicht zu, dass der Schlüssel zu seinem Tod bei ihm selbst lag. Es war nicht schwer gewesen, dies und jenes über ihn in Erfahrung zu bringen. Doch im Laufe der Zeit hatte Anna gemerkt, dass sich ihr alles Menschliche an ihm entzog. Zwar hatte er in der Öffentlichkeit das Feuer seines Glaubens gezeigt, doch niemand wusste so recht, wovon er geträumt und wonach es ihn gedrängt hatte.
    Warum also hatte man ihn ermordet? Dafür konnte es ein Dutzend oder mehr Motive geben. Es kam ihr vor, als betrachte sie ein Mosaik, bei dem das Mittelstück fehlte. Sie tappte im Dunkeln, vergeudete mit ihrer Suche immer mehr kostbare Zeit.
    Obwohl die kaum wahrnehmbare Brise nicht kalt war, überlief sie ein leichter Schauer, als die Sonne hinter den Horizont sank. Es war unerlässlich, dass sie Esaias Glabas aufsuchte, denn er war Ioustinianos’ Freund gewesen, auch wenn sie sich das überhaupt nicht vorstellen konnte. Aber auch mit Menschen wie Dimitrios und Irene Vatatzes musste sie sprechen. Da Irene kränkelte, wäre es das Beste, sie als Patientin zu gewinnen.

    Es dauerte mehrere Wochen, bis sie erstmals Gelegenheit hatte, Irene aufzusuchen. Trotz der Krankheit waren ihre Augen lebhaft, doch begriff Anna, dass das zumindest teilweise auf ihre ungewöhnliche Willenskraft zurückging. Die Konsultation war kurz. Es kam Anna vor, als gehe es Irene hauptsächlich darum festzustellen, ob sie bereit war, Anna zu trauen. Bei ihrem zweiten Besuch jedoch wurde sie mit Erleichterung begrüßt und ohne Umschweife in ein privates Zimmer geführt, das auf einen kleinen Innenhof ging.
    »Ich glaube, meine Schmerzen sind stärker geworden«, sagte Irene, deren Arme

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