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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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der Gegenrichtung. Hier, nahe dem Wasser, war der Salzgeruch kräftiger als zuvor.
    Jetzt sah sie das Licht einer sich nähernden Handlaterne. Ein hochgewachsener Mann trug sie. Sie erkannte Grigorios’ Schritt. Sie humpelte auf ihn zu, wobei sie kaum auf sein Gesicht sah, und flehte mit unterwürfig klingender schriller Stimme: »Ein Almosen für eine alte Frau! Gott beschütze Euch, Herr …«
    Er blieb stehen, führte die Hand zur Hüfte. Galt der Griff seinem Geld oder seiner Waffe? Es war nicht klug, darauf
zu warten. Mit aller Kraft trat sie Grigorios gegen das Schienbein und stieß zugleich den Dolch aufwärts. Während er sich unter der Wirkung des Tritts unwillkürlich vorbeugte, fuhr sie ihm mit der Klinge quer über die Kehle. Der Druck seines aus dem Gleichgewicht gebrachten Körpers unterstützte die Kraft, mit der sie den Schnitt führte. Seine Handlaterne fiel klirrend zu Boden und erlosch, doch Zoes Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt. Der Geruch seines warmen Blutes an ihrer Hand stieg ihr in die Nase. Er war nicht einmal dazu gekommen, einen Schrei auszustoßen, rang nach Luft und gab dabei entsetzliche gurgelnde Laute von sich. Mit den Händen fuhr er hierhin und dorthin und bekam Zoes Schulter in dem Augenblick zu fassen, als ihn das Leben verließ. Er umkrallte sie mit kräftigem Griff, der so sehr schmerzte, als habe er ihr einen Stich versetzt. Doch im nächsten Augenblick ließen seine Kräfte nach, und er stürzte zu Boden, wobei er sie mit sich riss. Sie schlug so hart mit dem Ellbogen auf, dass ihr der Atem stockte.
    Aber sein Griff hatte sich gelockert. Auf keinen Fall sollte er sterben, ohne zu wissen, von wessen Hand.
    »Grigorios!«, sagte sie laut und deutlich. »Grigorios!«
    Einen Moment lang richtete sich sein Blick auf sie, und seine Lippen bewegten sich, als wollten sie ihren Namen bilden; dann erlosch das Licht in seinen Augen.
    Langsam erhob sie sich mit schmerzenden und steifen Gliedern und wandte sich zum Gehen, wobei sie ihre Umgebung durch die heißen Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, nur undeutlich wahrnahm. Sie fragte sich, warum sie sich so leer fühlte, und zugleich war ihr bewusst, dass sich diese Leere nie wieder füllen würde.

KAPİTEL 51
    Anna, die Zoes schreckliche Vermutung im Hinblick auf Ioustinianos längst nach Kräften verdrängt hatte, weil sie einfach nicht wahr sein durfte, erwachte mitten in der Nacht, als Simonis mit einer Kerze in der Hand an ihr Lager trat und mit vor Ärger scharfer Stimme sagte: »An der Tür ist ein Reiter aus dem venezianischen Viertel. Er sagt, Ihr müsst sofort kommen, weil ein Unfall geschehen ist und Ihr helfen müsst. Die Leute sind verrückt. Ich geh raus und sag ihm, dass sie einen von ihren eigenen Ärzten holen sollen.« Mit diesen Worten wandte sie sich ab.
    »Sag ihm, dass ich gleich komme«, gebot ihr Anna.
    Kaum war sie zur Tür hinausgetreten, als der Venezianer sie hinter sich auf sein Pferd zog. Als er ihre Tasche sah, sagte er rasch: »Die braucht Ihr nicht. Der Mann ist tot. Wir … wir brauchen Eure Hilfe, um die Leiche wegzuschaffen. Wenn man sie findet, schiebt man uns die Schuld an einem Mord in die Schuhe.«
    Sie war wie vom Donner gerührt. »Warum um alles in der Welt sollte ich Euch dabei helfen?«, wollte sie wissen und traf Anstalten, sich vom Pferd hinabgleiten zu lassen, um in ihr Bett zurückzukehren. Doch dafür war es zu spät, denn der Mann hatte inzwischen das Tier zum Galopp angespornt, und schon bald ging es den Hügel zum Hafen hinab. Sofern er auf ihre Frage antwortete, konnte sie seine Worte nicht hören. Nachdem sie sich in der Schwärze der Nacht etwa eine Viertelstunde lang fest an ihn geklammert hatte, wobei ihre Tasche im Rhythmus des Galopps gegen ihre Beine schlug, hielt er in einem Gässchen an. Eine kleine Menschentraube drängte sich vor der Tür eines Ladens, wo ein Mann am Boden lag. Als einer aus der Gruppe eine
Laterne hochhielt, erkannte sie in dem flackernden Licht die Angst auf seinen Zügen und sah das Blut auf dem Straßenpflaster.
    »Wir haben ihn hier gefunden«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Er ist nicht von hier, sondern, wie es aussieht, ein hochstehender Byzantiner. Von uns hat ihn keiner umgebracht. Was sollen wir nur tun?«
    Anna nahm ihm die Laterne aus der Hand und senkte sie, um den am Boden Liegenden genauer in Augenschein zu nehmen. Auf den ersten Blick erkannte sie Grigorios Vatatzes. Neben ihm lag ein über und über von Blut bedeckter Dolch

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