Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Euch aber nicht bekannt, dass sie eine ebenso schöne Schwester hatte, Eudoxia, die leider in eine Reihe von Skandalen verwickelt war.« Erneut erkannte sie seine Empfindungen, denn er gab sich keine Mühe, sie zu verbergen. Wirklich schade, dass sie nicht mehr jung war. »Erst jetzt habe ich allerdings erfahren, dass Eudoxia ihre Verfehlungen später tief bereut haben und in einen Orden eingetreten sein soll. Ich weiß nicht, in welchen, aber das dürfte sich unter Umständen in Erfahrung bringen lassen. Es kann sein, dass sie noch lebt.«
»Meint Ihr?« Er öffnete die Augen weit.
»Bitte überlasst es mir, das festzustellen. Ich kann das unauffällig tun, denn für mich gibt es Mittel und Wege, die Euch nicht zu Gebote stehen. Ich werde Euch Nachricht geben, sobald ich Genaues weiß.«
»Danke.« Er lächelte ihr zu, ein gut aussehender, seiner selbst sicherer Mann mit natürlichem Charme.
»Ich war erst drei Jahre alt, als meine Mutter starb«, sagte sie im Bewusstsein, dass ihre Stimme zitterte, aber unfähig, es zu unterdrücken.
»Das tut mir leid«, sagte er. In seinem Blick lag Mitgefühl.
Das wollte sie nicht. »Man hat sie vergewaltigt und dann umgebracht.« Gleich darauf ärgerte sie sich, dass sie das preisgegeben hatte. Es war ein Zeichen von Schwäche und obendrein ein taktischer Fehler. Falls er das Jahr und die näheren Umstände erfuhr, würde er wissen, dass er ihr auf keinen Fall trauen durfte. »Übrigens habe ich etwas für Euch«, sagte sie rasch in dem Versuch, das zu überspielen. »Es ist mir durch einen Zufall in die Hände gekommen, und so braucht Ihr Euch in keiner Weise verpflichtet zu fühlen.« Sie trat an den Tisch, auf dem der Dolch lag, nahm das blaue Seidentuch ab, in das er gewickelt war, und hielt ihm die Waffe so hin, dass der Griff mit dem Wappen der Familie Dandolo nach oben auf ihn wies. Der Waffenschmied hatte eine meisterhafte Arbeit abgeliefert: Er sah alt und abgegriffen aus, und doch war jede Einzelheit des Wappens deutlich zu erkennen.
Giuliano sah wie gebannt hin und hob den Blick zu ihr.
»Nehmt ihn«, drängte sie. »Er gehört von Rechts wegen Euch. Was sollte ich außerdem mit einem Dolch, den ein venezianisches Wappen ziert?«
Er war nicht so taktlos, ihr eine Bezahlung anzubieten. Stattdessen nahm er sich vor, ihr ein Geschenk zu machen, dessen Wert den vermutlichen Wert ihrer Gabe ein wenig überstieg.
Er hielt den Dolch mit beiden Händen. »Perfekt ausgewogen«, sagte er. »Woher stammt er?«
»Das weiß ich nicht. Aber falls ich es noch erfahren sollte, werde ich es Euch sagen.«
»Ich danke Euch.« Auch wenn er nicht viele Worte machte, ließ sich seiner Stimme, seinem Blick und sogar der Art, wie er dastand und den Dolch in Händen hielt, die innere Bewegung anmerken.
»Tragt ihn«, sagte sie beiläufig. »Er steht Euch gut zu Gesicht. « Sie würde darum beten, dass er ihn trug, vor der Jungfrau Maria niederknien und sie anflehen, dass er es tat. Wenn man den Dolch nicht mit Giuliano in Verbindung bringen konnte, war ihr Plan zum Scheitern verurteilt.
»Das werde ich tun.« Er schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und verabschiedete sich.
Während sie ihm nachsah, empfand sie einen sonderbaren leichten Schmerz in der Seele, als entgleite ihr etwas. Jetzt brauchte sie nur noch einige Wochen zu warten. Erst wenn feststand, dass genug Menschen Giuliano mit diesem Dolch gesehen hatten und wussten, dass er ihm gehörte, konnte sie den nächsten Schritt tun.
Vorsichtshalber wartete sie einen vollen Monat. Es kam ihr vor, als schleppe sich die Zeit dahin. Die Mittagshitze war lähmend, die Nachmittage waren drückend und still, die Dunkelheit eine Maske, unter der sich alles Mögliche verbergen konnte. Jedes Geräusch und jeder Schritt konnte einen Mörder ankündigen.
Ganz wie sie es vermutet hatte, war von Giuliano eine Gegengabe gekommen: eine Brosche für ihre Dalmatika – Topas und schwarzer Onyx, in Gold gefasst. Sie gefiel ihr mehr, als ihr recht war. Eigentlich wollte sie sie nicht tragen, konnte dem Verlangen aber doch nicht widerstehen. Immer wieder drängte es sie, die Brosche zu berühren. Der Teufel sollte ihn holen!
Schließlich ertrug sie das Warten nicht länger und ließ einen Dieb kommen, dessen sie sich schon früher bedient hatte. Sie erklärte ihm, man habe ihr bei einem Raubüberfall einen wertvollen Dolch gestohlen, und sie vermute, dass ein Hehler ihn an Giuliano Dandolo verkauft habe,
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