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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Unterkunft in einer Herberge. Trotz aller Müdigkeit fand sie in der ersten Nacht kaum Schlaf. Das lag nicht nur an der Kälte, sondern auch daran, dass die Dunkelheit voller sonderbarer Geräusche und fremder Gerüche war. Sie hörte Menschen reden, auf Arabisch, Hebräisch und in anderen Sprachen, die sie nicht zuordnen konnte. In der Luft lag ein Gemisch aus dem Moder der engen Gassen, den Ausdünstungen von Tieren und den Aromen ihr unbekannter Kräuter. Auch wenn dieser Geruch nicht unbedingt unangenehm war, fühlte sie sich doch fremd und unbehaglich.
    Immer wieder las sie Zoes Anweisungen durch. Sie sollte einen Juden namens Simcha ben Ehud aufsuchen, der wusste, wo sich das Porträt der Muttergottes befand und der für sie feststellen würde, ob es echt war. Allerdings hatte ihr Zoe eingeschärft, es sich selbst ebenfalls genauestens anzusehen. Die Beschreibung war eindeutig. Auf keinen Fall durfte sie einen Fehler machen, denn sie zweifelte keinen
Augenblick lang daran, dass Zoe bei erster Gelegenheit ihre Macht nutzen würde, um sie zu vernichten. Ohnehin musste sie mit der Möglichkeit rechnen, dass sie es auf jeden Fall tun würde, sobald sie das Bild erst einmal hatte. Es war töricht gewesen anzunehmen, sie könne es ihr aushändigen und dann fortgehen, nur weil Zoe versprochen hatte, dass sie dann in Sicherheit sei. Bis zu ihrer Rückkehr musste sie sich unbedingt überlegen, welche Handhabe sie gegen Zoe einsetzen konnte, denn diese Frau kannte kein Erbarmen.
    Sobald sie das Bild in Händen hielte, würde sie sich nach einer Möglichkeit umsehen, das Kloster am Sinai aufzusuchen, um dort mit Ioustinianos zu reden, sofern man ihr das gestattete.
    Am nächsten Vormittag frühstückte sie gemeinsam mit Giuliano. Beide hatten sich inzwischen daran gewöhnt, von Datteln und ein wenig Brot zu leben.
    »Seht Euch vor«, mahnte er, als sie sich auf der Straße voneinander verabschiedeten. Er wollte zuerst das Gassengewirr und dann die unterirdischen Wasserläufe und Quellen Jerusalems erkunden. Nicht nur eine Stadt in der Wüste war auf Gedeih und Verderb auf Wasser angewiesen, sondern auch ein Heer, das sie belagerte.
    In der Gasse des jüdischen Viertels, die ihr Zoe genannt hatte, fragte Anna mehrere Ladeninhaber nach Simcha ben Ehud, doch alle schüttelten den Kopf.
    Einen Tag um den anderen bemühte sie sich weiter und begann schon zu fürchten, dass sie unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Eines Morgens, sie war inzwischen etwas länger als drei Wochen in Jerusalem, ging sie eine schmale Treppe empor. Ihre Beine schmerzten so sehr, ihre Muskeln waren so ermattet, dass sie sich bei jeder Stufe
konzentrieren musste, um nicht zu stolpern. Beinahe wäre sie mit einem Mann zusammengestoßen, der ihr entgegenkam. Sie entschuldigte sich rasch und wollte weitergehen, als er sie an der Schulter fasste. Sie hatte den Impuls, ihn abzuwehren, doch er fragte zu ihrer Überraschung kaum hörbar, den Mund dicht an ihrem Ohr: »Ihr sucht Simcha ben Ehud?«
    »Ja. Wisst Ihr, wo ich ihn finden kann?« Sie wagte nicht, nach dem Dolch in ihrem Gürtel zu greifen. Der Mann war zwar nur einen oder zwei Zoll größer als sie, wirkte aber drahtig, und der Druck seiner Hand auf ihrer Schulter hatte ihr gezeigt, dass er kräftig war. Als sie ihn näher ansah, erkannte sie trotz seiner Hakennase und nahezu schwarzen Augen, die sie zuerst abgeschreckt hatten, einen freundlichen Zug um seinen Mund, und es kam ihr vor, als stammten die Fältchen, die ihn umgaben, vom Lachen.
    »Seid Ihr etwa selbst Simcha ben Ehud?«, fragte sie.
    »Kommt Ihr aus Byzanz, im Auftrag von Zoe Chrysaphes? «, gab er zurück.
    »Ja.«
    »Und Euer Name?«
    »Anastasios Zarides.«
    »Kommt mit. Folgt mir und sagt kein Wort. Haltet Euch dicht hinter mir.« Er wandte sich um und ging ihr voraus. Oben an der Treppe angekommen, führte er sie durch eine schmale Gasse, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuwenden. Er schien als ganz selbstverständlich vorauszusetzen, dass sie ihm folgte, ging aber langsam, damit sie ihn nicht aus den Augen verlor.
    Schließlich bog er in einen kleinen Hof ein, in dessen Mitte sich ein Brunnen befand, und ging durch eine schmale Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Dahinter lag ein
Raum, von dem aus eine Treppe nach oben in ein Zimmer voller Licht führte. Dort saß ein weißbärtiger alter Mann, dessen Augen milchig waren. Er war offensichtlich blind.
    »Ich bringe Euch den Boten aus Byzanz, Jakob ben Israel«,

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