Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
Vom Netzwerk:
geschäftigen Hafen von Akko an, dessen Bauten sich von den durch die Kreuzfahrer errichteten hohen Mauern bis hinab zu den Handelsvierteln der Pisaner, Genueser und natürlich der Venezianer zogen.

    Von dieser geschäftigen Hafenstadt aus sollte eine sechstägige Reise über Land Anna nach Jerusalem führen. Einstweilen blieb sie an Bord, während Giuliano an Land ging, um, wie er sagte, das Löschen der Ladung zu beaufsichtigen und für Rückfracht zu sorgen.
    Von Deck aus versuchte sie, einen Eindruck von der Stadt zu gewinnen, die den Zugang zum Heiligen Land bildete. Schlagartig kam ihr zu Bewusstsein, dass Giuliano ihre ganze Anlage mit dem Auge des erfahrenen Kriegers beurteilen würde, wie es Generationen von Männern vor ihm getan hatten, die aus den fernen Ländern der christlichen Welt gekommen waren, um das Land zu erobern – wozu? Etwa für Gott? Für Christus? Das mochte für den einen oder anderen gegolten haben. Eher aber war es ihnen wahrscheinlich um persönlichen Ruhm gegangen. In diesem Land, in dem laut Gottes Verheißung Milch und Honig flossen, floss auch Blut.
    Am dritten Tag begleitete sie Giuliano bei seinem Landgang. Er hatte das Schiff einem Stellvertreter anvertraut und es mit neuer Ladung weiter nach Jaffa geschickt, von wo es in zwei Monaten zurückkehren sollte, um ihn und Anastasios wieder an Bord zu nehmen. Für den Fall, dass sie sich verspäteten, sollte es auf sie warten.
    Beide legten die für Pilger übliche Kleidung an: eine graue Kutte mit Kapuze, ein Umschlagtuch und einen Hut, dessen breite Krempe vorn hochgeklappt war. Ergänzt wurde diese Ausrüstung durch eine Umhängetasche und einen breiten Gürtel, an dem ein Rosenkranz und eine Labeflasche befestigt waren. Außer dem Sack, den sie über der Schulter trugen, und einem großen hohlen Kürbis für den Wasservorrat führte Anna noch eine kleine Arzttasche mit sich, die Kräuter, Salbe, ein Chirurgenmesser sowie Nadel und
Seidenfaden enthielt. Sie fühlte sich ungepflegt, unbehaglich und war froh, dass es keinen Spiegel gab, in dem sie sich sehen konnte.
    Giuliano sah aus wie jeder andere der Pilger, grau gekleidet, ein rotes Kreuz an der rechten Schulter, einer von Dutzenden, die zwar müde und mit schmerzenden Füßen, aber mit leuchtenden Augen und ständig wiederholten Liedern auf den Lippen nach Jerusalem strebten. Auch jetzt noch schritt er mit dem leicht schwankenden Gang eines Seemanns aus.
    »Da vorn sind die anderen.« Er wies hin. »Wir brechen in einer guten Stunde auf. Es wird anstrengend werden und zu dieser Jahreszeit außerdem kalt.«
    Die Pilgergruppe bestand aus etwa zwanzig Personen, von denen die meisten wie Anna und Giuliano die graue Kutte trugen. Sie alle hatten das bleiche Gesicht, das Zeugnis von einer langen Überfahrt ablegte, bei der sie auf ihrem Schiff kaum Platz gehabt hatten, sich hinzulegen, und es für niemanden eine Möglichkeit gegeben hatte, auch nur wenige Augenblicke allein zu sein. Zwar waren die Männer deutlich in der Überzahl, aber erstaunt sah Anna auch ein halbes Dutzend Frauen.
    Ein Krieger hatte sich wie selbstverständlich zum Sprecher der Gruppe aufgeworfen und verhandelte mit einem verwegen aussehenden Araber, der bereit war, ihnen als Führer zu dienen. Zwar verstand Anna kein Wort von dem, was die beiden sagten, doch war klar, worum es ging: Sie handelten den Preis und die Bedingungen aus. Harsche Worte fielen auf der einen wie auf der anderen Seite, doch nach einer Weile lächelten beide. Jeder der Pilger zahlte den Betrag, der auf ihn entfiel, dann brachen sie auf.
    Inzwischen war es Mittag. Anna bemühte sich um einen
gewissen Abstand zu den anderen, da sie unbedingt ihr Geheimnis hüten musste. Sie befand sich in der eigentümlichen Lage, weder Mann noch Frau zu sein, sah aber interessiert zu ihren Geschlechtsgenossinnen hin und hörte hier und da, was sie miteinander besprachen.
    Sie war es nicht gewohnt, so große Entfernungen zu Fuß zurückzulegen, und bekam Blasen an den Füßen. Allmählich schmerzten auch ihr Rücken und ihre Beine und schließlich ihr ganzer Körper. Obwohl ihr bewusst war, dass Giuliano weit kräftiger war als sie, wagte sie nicht, seine Hilfe anzunehmen, als er sie ihr anbot.
    Bei Einbruch der Nacht machten sie Halt an einer Herberge. Es war für Anna eine große Erleichterung, sich setzen zu können, und erst nachdem alle um einen großen Holztisch herum gegessen hatten, merkte sie, dass ihr auch die Wärme guttat. Es war draußen weit

Weitere Kostenlose Bücher