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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Entscheidung zu tun, die Kranke aufzusuchen. Ihre Aufgabe hieß nicht, deren Leiden zu verlängern, sondern die Schmerzen zu lindern, die mit ihrem Dahinscheiden verbunden waren.
    Ioanna war von ihrer Krankheit abgezehrt und sah daher weit älter aus als ihre fünfundvierzig Jahre. Es war unübersehbar, dass ihre Zeit ablief. Der ihr von Anna verabreichte lindernde Trunk hatte ihr eine knappe Stunde Frieden verschafft, in der sie nicht die entsetzlichen körperlichen und seelischen Schmerzen litt, die sie sonst heimsuchten. Sie hatte nur wenig gesagt, doch war klar, woran sie dachte. Hätte ihr Mann nicht noch ein wenig warten können? Immer wieder quälte diese Frage sie so sehr, dass sie keine Worte fand, sie auszudrücken.
    Leonikos hatte die im Sterben liegende Ioanna verlassen, weil er Theodosia liebte, die von ihrem Mann grausam im Stich gelassen worden war. Leonikos hatte nicht warten wollen, bis er frei war, hatte sein Glück sofort genießen
wollen, nicht erst in einer Woche oder einem Monat. Vielleicht hatte auch Theodosia darauf gedrängt, und er hatte nicht genug Mut oder Ehrgefühl besessen, sich ihr zu widersetzen.
    Als es in dem stickig-heißen Zimmer endlich still war, ging Anna hinaus, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Ioanna wirklich schlief. Zwar lag auch über dem Hof die drückende Sommerhitze, doch brauchte sie dort nicht die kräftigen Gerüche einzuatmen, die von den Kräutern und den Ausscheidungen der Sterbenden ausgingen.
    Theodosia hatte ein gottesfürchtiges Leben geführt. Sie kannte die Bitternis, die ein Mensch empfand, wenn er von anderen abgelehnt wurde – wie hatte ausgerechnet sie das einer anderen Frau antun können? Welche Befriedigung mochte für sie darin liegen, einen Mann um einen solchen Preis zu bekommen?
    Hätte Anna Giuliano auf diese Weise haben wollen?
    Theodosia war bei guter Gesundheit gewesen, als ihr Mann sie verlassen hatte, und doch hatte es sie nahezu unerträglich geschmerzt und an den Rand des Selbstmords getrieben. Ioanna indes war krank und dem Tode nahe. Womit konnte Theodosia ein solches Verhalten vor sich selbst und der Welt rechtfertigen?
    Als es Ioanna ein wenig besser ging, gab Anna den Dienern genaue Anweisungen und suchte Theodosia auf, nachdem sie zu Hause weitere Kräuter geholt hatte. Auf ihre Bitte um eine Unterredung teilte ihr die Dienerin schon nach wenigen Minuten mit, dass die Dame des Hauses sie nicht empfangen könne.
    Anna ließ sich nicht abweisen und erklärte, sie habe etwas Dringendes und Wichtiges zu sagen. Darauf ging die Dienerin erneut hinein. Diesmal kam Leonikos selbst an
die Tür. Als er Anna sah, trat Trauer und zugleich Ärger in seine Augen.
    »Ich bedaure, aber sie möchte nicht mit Euch sprechen«, sagte er. »Sie braucht Eure Dienste nicht, und mehr gibt es nicht zu sagen. Danke, dass Ihr gekommen seid, doch haltet Euch in Zukunft von ihr fern.« Er wandte sich um und ging, woraufhin die Dienerin die Tür schloss.
    Anna kehrte in das Haus des Leonikos zurück, um dort das Leiden seiner Gattin zu lindern, so gut sie konnte. Sie bereitete ihr Kräuter zu, saß an ihrem Lager, wenn sie nicht schlafen konnte, und sprach über alles Mögliche, nur, um sie abzulenken. Sie hielt ihre Hand, als sie das Bewusstsein verlor und schließlich auch das Leben sie verließ.
    Im September überlagerten die besorgniserregenden Nachrichten vom Zug gegen Konstantinopel, zu dem sich im Westen Heere sammelten, den allgemeinen Grimm über das Ansinnen, das Rom an die orthodoxe Kirche stellte.
    Als sich Anna im Kaiserpalast um mehrere erkrankte Eunuchen kümmerte, ließ Nikephoros sie zu sich rufen. Er wirkte besorgt und ungewöhnlich ernst.
    »Soeben habe ich von Bischof Palombara erfahren, dass der Papst tot ist«, sagte er.
    »Schon wieder? Ich meine … es gibt also in Rom keinen Mann an der Spitze, mit dem wir uns streiten könnten, selbst wenn wir das wollten?« Sie konnte es kaum glauben.
    »Es ist noch viel schlimmer«, sagte er rasch und gab sich keine Mühe, seine Angst zu verbergen. »Papst Nikolaus hatte Charles von Anjou schwören lassen, dass er Byzanz nicht überfällt. Mit dessen Tod fühlt sich der König beider Sizilien nicht mehr an diese Zusage gebunden.« Bitter fügte er hinzu: »Wie es aussieht, endet bei den Menschen im
Abendland die Gültigkeit eines Eides, sobald der stirbt, dem man ihn geschworen hat.«
    Anna war fassungslos. »Und was sagt der Kaiser dazu?« Sie merkte, dass ihre Stimme zitterte.
    »Ich muss

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