Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
es ihm noch sagen.« Nikephoros holte tief Luft und stieß sie dann mit einem Seufzer wieder aus. »Das wird für ihn ein harter Schlag sein. Es wäre mir lieb, wenn Ihr mich begleiten könntet, für den Fall, dass … dass es ihm … nicht gutgeht.«
Sie nickte statt einer Antwort und folgte Nikephoros voll böser Vorahnungen.
Kaiser Michael schrieb etwas, als Nikephoros und Anna eintraten. Im grellen Sonnenlicht, das vor ihm schräg über den Tisch fiel, erkannte man die Mattigkeit des Herrschers. Inzwischen waren nicht nur seine Haare grau, sondern auch sein Bart, vor allem aber lagen unter seinen Augen tiefe Schatten, und seine Gesichtshaut wirkte schlaff. Selbst der eiserne Willle, der ihn zu seinen militärischen Erfolgen geführt hatte, schien allmählich dahinzuschwinden. Er hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, es sei leichter, einen Sieg mit Waffen zu erringen, als die Zerstrittenheit seines Volkes zu überwinden, die fortwährenden Versuche zur Aushöhlung seiner Macht abzuwehren, gegen die Bedrohung seines Lebens und dessen seiner Angehörigen anzukämpfen und die Auseinandersetzungen über zahllose strittige Punkte in der Frage des Zusammenschlusses mit Rom zu führen. Hinzu kam, dass immer wieder die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft infrage gestellt wurde. Jahr für Jahr behauptete mindestens ein Herausforderer, er habe einen berechtigteren Anspruch auf den Thron als Michael. Nie durfte sich der Kaiser vor einem Anschlag durch einen Usurpator sicher fühlen.
»Was gibt es?«, fragte er und sah auf. Sogleich erkannte er, dass Nikephoros keine guten Nachrichten brachte, und spannte sich kaum merklich an.
Mit knappen Worten teilte ihm sein Berater das Ableben Papst Nikolaus’ III. mit. Er brauchte nicht hinzuzufügen, dass jetzt nichts mehr Charles von Anjou hinderte, seinen geplanten Angriff gegen die Reste des byzantinischen Reichs zu führen und Konstantinopel zu plündern.
Reglos suchte Kaiser Michael die Mitteilung zu verarbeiten. Anna erkannte das Ausmaß seiner Erschöpfung und sah, wie sehr er sich bemühte, diesem erneuten Schlag standzuhalten und nicht aufzugeben. Sie sah deutlich, welchen Preis er dafür bezahlt hatte, dass es ihm gelungen war, seinen Untertanen die Stadt achtzehn lange schwierige Jahre hindurch zu erhalten.
Konnte es jemanden überraschen, dass er, da jetzt schon wieder ein Papst gestorben war, den Eindruck gewann, selbst das Schicksal wende sich gegen ihn? Auch Anna spürte, wie die Bedrohung näher rückte. Sie empfand Furcht vor einer Zukunft ohne Kaiser Michael.
Bischof Konstantinos war krank und schickte nach Anna. Sie nahm an Kräutern mit, was sie vermutlich brauchen würde, und folgte dem Diener des Bischofs durch die geschäftige Straße bis hinauf zu dessen Haus, das ihr von einem Besuch zum anderen immer prächtiger vorkam, denn jedes Mal sah sie ein neues schmückendes Element. Es waren lauter Geschenke von Bittstellern, die er erhört hatte. Er hatte ihr erklärt, solche Zeichen der Dankbarkeit dürfe er unmöglich zurückweisen.
Wie er mit bleichem und eingefallenem Gesicht auf seinem Bett lag, war deutlich zu erkennen, dass es ihm nicht
gutging. Vermutlich schlugen ihm seine Sorgen auf den Magen, so dass es ihm schwerfiel, die Speisen zu verdauen.
»Ich muss in zwei Wochen bei voller Gesundheit sein«, teilte er Anna mit schmalen Lippen und zusammengekniffenen Augen mit.
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach sie. »Es würde Eurer Gesundheit guttun, wenn Ihr Euch mehr Ruhe gönntet.«
»Ruhe!« Er zuckte zusammen, als hätte sie ihm Schmerzen zugefügt. »Jede Stunde ist kostbar. Wisst Ihr nicht, in welcher Gefahr wir schweben?«
»Doch. Und dennoch müsst Ihr um Eurer Gesundheit willen ruhen. Was soll in zwei Wochen geschehen?«
Er lächelte. »Ich werde die Trauung von Leonikos Strabomytes und Theodosia Skleros vollziehen, und zwar in der Hagia Sophia. Es soll eine glänzende Feier werden, die den Menschen die Gnade Gottes und den Segen vor Augen führen wird, den er zu spenden vermag. Das wird alle mit neuem Mut erfüllen und ihre Frömmigkeit stärken.«
Anna glaubte, etwas falsch verstanden zu haben. »Habt Ihr Theodosia Skleros gesagt?«
Er sah sie unverwandt an. »Erstreckt sich der Edelmut Eures Herzens nicht auf sie? Ich habe ihr zum Zeichen der göttlichen Vergebung eine ganz besondere Ikone der Heiligen Jungfrau geschenkt.«
Zuerst war Anna sprachlos, doch dann brach es aus ihr heraus: »Die beiden haben eine schwere Sünde
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